Angriff auf den Iran: Mission Impossible?
Für Israels Luftwaffe würde ein Schlag gegen das iranische Atomprogramm eine riesige Herausforderung darstellen. Es warten viele Stolpersteine. Warnen die Amerikaner deshalb so laut vor einem Angriff?
Je ruhiger sich die Spitze des israelischen Staates verhält, desto unruhiger wird der Rest der Welt. Ende letzten Jahres verstummte in Tel Aviv allmählich das laute Nachdenken über einen Präventivschlag gegen den Iran. Noch im Dezember stritt man sich mit den Seniorpartnern in Washington über die «Red Lines», die für einen Angriff überschritten werden müssten. Seither war aus Israel nicht mehr viel zu hören. Was hat das zu bedeuten?
Nervosität in Washington
Dafür warnen Aussenminister und Generäle des Westens umso eindringlicher: Erst am Wochenende appellierte der britische Verteidigungsminister William Hague, den vor wenigen Wochen beschlossenen Sanktionen und allfälligen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm müsste eine echte Chance gegeben werden.
Die Obama-Administration wird zusehends nervöser und befürchtet einen israelischen Alleinschlag. Auch Obamas oberster Sicherheitsberater Tom Donilon und der höchste US-Militär, General Martin Dempsey, warnten vor der «destabilisierenden Wirkung», die ein Angriff derzeit hätte.
Zeitfenster schliesst sich
Doch das Duo, in dessen Händen die Entscheidung am Ende liegt, sieht sich in einem Kampf gegen die Zeit. Das «Window of Opportunity» für einen Angriff schliesse sich langsam, heisst es aus den Kreisen um Premier Netanyahu und Verteidigungsminister Barak. Schon im April könnte Israel womöglich einen Angriff starten, so Beobachter. Denn Barak befürchtet, dass der Iran sein Atomprogramm schon bald weit unter Felsen verbergen könnte – dort würden auch bunkerbrechende Bomben nichts mehr ausrichten. Wer «später» zu einem Angriff sage, laufe Gefahr, dass «später zu spät» sein könnte, so Barak auf einer Pressekonferenz.
Barak sieht sich «sehr direkt und konkret verantwortlich für die Existenz Israels – ja eigentlich die Zukunft des jüdischen Volkes», wie er in einem äusserst lesenswerten Porträt im Magazin der «New York Times» (NYT) sagte.
«So einfach wird es nicht»
Verantwortung, Strategie und Rhetorik sind das eine – ein Schlag gegen das iranische Atomprogramm findet am Ende in der Realität statt. Und er würde wohl von der israelischen Luftwaffe ausgeführt. Ob diese die nötigen Voraussetzungen für die Aktion mitbringt, daran zweifelt man in Washington. «An all die Experten, die sagen: ‹Oh, yeah, lasst uns den Iran bombardieren› – so einfach wird es nicht», sagte Lieutenant General David Deptula gegenüber der NYT. Deptula weiss, wovon er spricht: Er war oberster Planer der US-Luftanschläge in Afghanistan 2001 und im Irak 1991.
«Eine Handvoll Jets, an einem Abend, rein und wieder raus? Ich glaube nicht, dass sie irgendjemand finden werden, der sagt: ‹So gehts›», sagt ein früherer Pentagon-Mitarbeiter, der heute im Auftrag der US-Airforce forscht. Und Ex-CIA-Direktor Michael Hayden sagte letzten Monat kurz und knapp, ein wirkunsvoller Angriff gegen das iranische Atomprogramm liege schlicht und einfach «ausserhalb der Fähigkeiten» Israels. Mit dem Schlag gegen eine syrische Atomanlage 2007 sei dies in keiner Weise vergleichbar.
Distanz als Problem
Das liegt einerseits an der Distanz: Rund 2000 Meilen (gut 3200 Kilometer) müssten Israels Piloten auf dem Hin- und Rückweg zurücklegen, und dies über die Lufträume nicht gerade freundlich gesinnter Staaten wie Saudiarabien, Irak oder der Türkei. Dieses Problem liesse sich wohl lösen: Die Route über den Irak ist relativ sicher, da im Land seit dem Abzug der US-Truppen so gut wie keine Luftabwehrwaffen mehr stationiert sind. Darüber, dass US-Einheiten israelische Jets abschiessen könnten, hat man sich laut einer anonymen US-Quelle in Tel Aviv tatsächlich Gedanken gemacht.
Ein zweites Problem ist die Reichweite der Kampfflugzeuge. Die israelische Luftwaffe besteht aus amerikanischen F-15I und F-16I. Diese können die insgesamt 2000 Kilometer bei weitem nicht bewältigen und müssten unterwegs tanken, was zusätzliche Ressourcen bedingt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Israel diese Ressourcen hat, bezeichnen die meisten US-Experten als relativ gering.
Raketen statt Jets?
«Es gibt nur eine Supermacht, die das durchziehen kann», sagte US-General Depulta der NYT. Und genau hierin liegt wohl die Angst Washingtons: Dass Israel auf eigene Faust vorprescht – und der Seniorpartner dann in die Angelegenheit hineingezogen wird und die Kohlen aus dem Feuer holen muss.
Eine ganz andere Möglichkeit ist der Krieg mit ballistischen Boden-Boden-Lenkwaffen. Wie Militär- und Strategieexperte Albert Stahel vor einigen Monaten auf Redaktion Tamedia ausführte, böte diese Option einige Vorteile.
Abwehrsystem bei Tel Aviv
Mit Vergeltungsschlägen aus dem Iran muss Israel im Falle eines Angriffs sowieso rechnen. Und man scheint sich auf neue Bedrohungen einzustellen: Die israelische Armee will diese Woche im Grossraum Tel Aviv ein Raketenabwehrsystem aufstellen und prüfen. Eine Militärsprecherin in Jerusalem teilte heute mit, es handle sich um eine jährliche Routineübung. Das System «Eisenkuppel» solle nur für einige Tage stationiert bleiben.
Bislang wurde es vor allem im Umland des Gazastreifens eingesetzt, als Warnsystem gegen den fortwährenden Raketenbeschuss durch militante Palästinenser. Vor dem Hintergrund eines möglichen Angriffs auf Iran sorgte die geplante Übung im Grossraum Tel Aviv aber für Aufmerksamkeit. Die Stadt gilt als Hauptziel möglicher Raketenangriffe bei einem neuen Nahost-Krieg.
Der israelische Militärgeheimdienstchef Aviv Kochavi hatte zuletzt gesagt, etwa 200'000 Raketen könnten aus feindlichen Ländern auf Israel abgefeuert werden. «Wir haben es mit einem feindseligeren, islamistischeren, empfindlicheren Nahen Osten zu tun», sagte er. Man müsse sich auf «permanente Instabilität» einstellen.
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