Kampf gegen KlimawandelAtomkraft bekommt «grünes Label»
In der EU können ab nächstem Jahr Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft werden. Gegnerinnen und Gegner des umstrittenen Labels scheiterten bei einer Abstimmung im EU-Parlament.

Können Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen das grüne Label bekommen? Am Ende war das Ergebnis in Strassburg relativ klar: Gegnerinnen und Gegnern im EU-Parlament ist es nicht gelungen, die umstrittene Einstufung von Atom und Gas in der EU als nachhaltige Energiequellen zu stoppen. Nur 278 Abgeordnete votierten im Plenum gegen den Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie, einem Klassifizierungssystem für private Investoren. Nötig wäre eine absolute Mehrheit von 353 Stimmen gewesen.
Ab 2023 in Kraft
Theoretisch könnten bis zum 11. Juli eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten das Label noch verhindern. Das gilt aber als praktisch ausgeschlossen. Die Klassifizierung dürfte also Anfang 2023 in Kraft treten. Sie soll private Investoren in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen. Die EU hatte in einem ersten Schritt im vergangenen Jahr schon beschlossen, die Stromproduktion mit Solarpanels, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen.
Unter Druck aus einigen Mitgliedstaaten schlug Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusätzlich das Label für Atom und Gas vor, geknüpft an Bedingungen. Konkret müssen Gaskraftwerke strengere Schadstoffnormen erfüllen und für die Umstellung auf Wasserstoff bereit sein. Bei der Atomkraft dürften Investitionen in Sicherheit und Verlängerung von Laufzeit im Vordergrund stehen. Für Neubauten sind Vorgaben für die Abfallentsorgung vorgesehen.
Eine wichtige Rolle spielte eine Allianz zwischen Paris und Berlin, unterstützt von den osteuropäischen Mitgliedstaaten. Frankreich sieht in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO₂-freie Wirtschaft und wittert zudem Exportmöglichkeiten für seine Nuklearindustrie. Deutschland wollte im Gegenzug das grüne Label für Gas als Übergangstechnologie.
Für den Übergang
Klar sei Gas ein fossiler Brennstoff, sagte EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness vor dem EU-Parlament. Aber einige Mitgliedstaaten bräuchten Atom und Gas als Übergangslösungen während der Energiewende. Niemand sei verpflichtet, in Gas oder Atomkraft zu investieren. Es müsste aber alle Instrumente genutzt werden, um auf Erdöl und Steinkohle verzichten zu können.
Die Klassifizierung könnte Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben. Die Taxonomie soll Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflussen und Investoren in die Lage versetzen, Finanzierungen von klimaschädlichen Wirtschaftsbereichen zu vermeiden. Ob das grüne Label die kostspielige und umstrittene Atomkraft für private Investoren tatsächlich attraktiver macht, ist umstritten.

Im EU-Parlament stimmten Grüne und ein Grossteil der sozialdemokratischen Fraktion gegen die «grüne» Einstufung von Atom und Gas. Kommission und Mitgliedstaaten betrieben hier «Greenwashing». Der Vorschlag stehe im Kontrast zu den Bemühungen, von russischen Rohstoffen unabhängig zu werden. Konservative und Liberale waren gespalten, votierten aber mehrheitlich für das Label. In der Schweiz begrüsste das Nuklearforum Schweiz den Entscheid. Die Kernenergie sei eine der CO₂-ärmsten Arten der Stromerzeugung und könne erheblich zum Klimaschutz beitragen. Der Investitionsanreiz sei zu begrüssen, Technologieverbote nützten niemandem.
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