Auf eine Kippe mit Catherine Deneuve
Die kleine Geschichte Frankreichs Fernsehstudios sind rauchfrei – meistens. Manchmal wünscht man sich die alten Zeiten zurück. Auch wenn sie gar nicht so gut waren, diese alten Zeiten. Ja selbst wenn sie auch noch ein bisschen schädlich waren. Zum Beispiel die Zeiten, da in angeregten Gesprächsrunden am Fernsehen noch geraucht wurde, da den schweren Worten ebenso schwere Rauchschwaden nachwehten, da die echauffierten Geister noch an Filtern zogen, als wollten sie dem Gegenüber das Hirn aus dem Schädel saugen. Oder so ähnlich. In jenen Zeiten, und sie scheinen schon Ewigkeiten her, trank man in der Runde auch schon mal ein Bier, ein Glas Wein. Nicht nur Wasser und Orangensaft. Es war also, als wärs wie im echten Leben. Als sässen diese Leute zufällig zusammen, wie in einer Bar. Und man konnte ihnen nicht nur zuhören und zusehen, wie sie redeten, sondern man konnte auch noch ihre alltäglichen Gesten studieren: dieser Griff in die Hemdtasche zum Beispiel, das zittrige Hantieren an der Streichholzbox, der Grad der Sucht. Heute wirken TV-Talkshows steril, natürlich rauchfrei und damit auch eine Spur lustentleert. So mancher Gast weiss nicht, was er mit den Händen anstellen soll, wenn er nicht gerade gestikuliert. So war das damals auch in Frankreich. Und hier war die Zeitenwende besonders abrupt. Vorbei die Zeiten, da die Studios literarischer, philosophischer und politischer Sendungen noch wie Dependancen des Café de Flore oder des Café Les Deux Magots anmuteten. Zeiten, in denen der Rauch filterloser Gauloises und gelber Gitanes die obligat neblige Decke bildete, alimentiert von Kettenrauchern wie Serge Gainsbourg. Seit die Cafés rauchfrei sind, sind es auch die Studios. Und es befällt einen der wahrscheinlich völlig haltlose Verdacht, dass den wenigen Sendungen aus dem gescheiten Genre, die noch übrig geblieben sind, neben dem Rauch auch der Geist entwichen ist. Kürzlich nun war eine Grande Dame aus den alten Zeiten, die gefeierte und scheinbar dämmerfrei schöne Catherine Deneuve, eingeladen in eine Talkshow von Canal Plus – in eine satirische. Der Moderator gab sich sehr nervös. Und in seiner gespielten Nervosität bot er der Schauspielerin einen kleinen Tabubruch an: «Sollen wir eine Kippe rauchen?»Darauf Deneuve: «Warum nicht?» Die beiden stecken sich also eine an. Sie: «Damit hab ich nicht gerechnet.» Er (nach dem ersten theatralischen Zug): «Pas mal, hein?» Sie: «Ja, das ist eine Überraschung, und doch sehr provokativ.» Catherine Deneuve schaut sich im Studio um, findet keinen Aschenbecher und klopft die Asche ihrer dünnen Zigarette in die linke Handfläche. Catherine Deneuve klopft sich die Asche in die Hand! Das Publikum lacht ungläubig. Sie: «Ach, das bin ich gewohnt, ich rauche überall.» Ein netter, vergänglicher Fernsehmoment. Es war wieder mal so, als wären die Leute im Fernsehen einfach sich selber. Der Film, den Deneuve mit ihrem Auftritt bewerben wollte, verschwand hinter dem Rauch ihrer Zigarette. Dafür sah man viel Leben im neckischen und belustigten Lächeln von CD, wie die Franzosen die Schauspielerin gerne nennen. Der Conseil supérieur de l‘audiovisuel sah das freilich ganz anders. Die Aufsichtsbehörde der elektronischen Medien Frankreichs hat den Fall einige Wochen beraten und kam jetzt zum Schluss, dass die beiden, Moderator und Gast, den Kanon öffentlicher Sittlichkeit verletzt und zum Rauchen angestiftet haben. Sie wurden offiziell dafür ermahnt. Es soll sich fortan niemand mehr erdreisten, die neuen, gesünderen Zeiten zu brüskieren. Auch am Fernsehen nicht, gerade am Fernsehen nicht. Nie mehr. So kategorisch, dass selbst bei einem ehemaligen Raucher etwas Nostalgie nach verrauchter Öffentlichkeit hochkriecht. In Ringen, in kleinen Schwaden. Oliver Meiler, Paris Mangels Aschenbecher äschert die grosse Deneuve in ihre Hand.
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