«Lasst uns über die Klippe stürzen»
81 Prozent der Amerikaner hoffen, dass die US-Regierung doch noch eine Lösung für den Haushaltsstreit findet. Ganz anders viele Anhänger der Tea Party: Sie sehnen den Sturz über das Fiscal Cliff regelrecht herbei.

Nur noch ein paar Tage trennen die USA vom Sturz über die Fiskalklippe. In Boston, aber auch anderswo zwischen Maui und Manhattan, geben sich manche indes entspannt und begrüssen sogar die Betonopposition der Republikaner im Kongress gegen Steuererhöhungen.
«Ich will, dass die Konservativen hart bleiben», sagt Christine Morabito, Chefin der rechtpopulistischen Tea Party in der Region Boston. «Manchmal müssen die Dinge eben erst einmal schlechter werden, bevor sie sich zum besseren wenden». Und mit dieser Sicht ist Morabito unter Tea-Party-Aktivisten keineswegs alleine.
Paradox: Kommt es zwischen Präsident Barack Obama und den Republikanern im Kongress bis Jahresende zu keiner Einigung, greifen nicht nur massive Ausgabenkürzungen, sondern auch Steuererhöhungen. Dass dies am Ende eine neue Rezession auslösen könnte, quittiert die Tea Party mit Schulterzucken.
Brüche in den Reihen der Republikaner
Der massive Widerstand aus den Reihen der erzkonservativen Bewegung legt nicht nur Brüche innerhalb der Republikaner offen, sondern wirft auch ein Licht auf die Probleme, mit denen Obama wie auch der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, hinter den Kulissen zu kämpfen haben. Sogar unter den Republikanern wird die Blockadepolitik mit Sorge betrachtet.
«Es schwächt die gesamte Republikanische Partei, die republikanische Mehrheit», sagte Steven LaTourette, republikanischer Abgeordneter aus Ohio, nachdem seine Parlamentskollegen einen Plan Boehners abgelehnt hatten, der Steuererhöhungen für Amerikaner mit Millioneneinkommen vorsah. «Die Partei verblödet zunehmend, und wir werden zunehmend als ein Haufen von Extremisten gesehen, die noch nicht einmal in den eigenen Reihen eine Mehrheit zusammenbekommt.»
Die Hardliner der Tea-Party-Bewegung ficht das nicht an. Dass der Boehner-Plan durchfiel, begrüsst Aktivist Frank Smith als Sieg für die Anti-Steuer-Fraktion und als Rückschlag für Obama, der vor seiner Wahl versprochen hatte, die Steuern für jene zu erhöhen, die mehr als 250'000 Dollar im Jahr im Jahr verdienen. Vor den Abgeordneten, die Boehners Plan zu Fall brachten, gehöre «der Hut gezogen», sagt Smith. «Lasst uns über die Klippe stürzen und sehen, was auf der anderen Seite ist.»
Starke Worte aus der Provinz
Ähnliche Töne gibt es von republikanischen Parteichefs in der amerikanischen Provinz. Die Leute seien «frustriert von Boehner», sagt Roger Villere im Südstaat Louisiana. «Wer als Konservativer antritt, sollte gegen Steuererhöhungen sein. Jeder sollte Wort halten.»
Jack Kimball, früherer Republikaner-Chef im Neuengland-Staat New Hampshire, sei «freudig erregt» gewesen, als der Boehner-Plan scheiterte. «Die Republikaner müssen ihren Prinzipien treu bleiben. Die müssen hart bleiben.»
Geht es nach Umfragen, sieht dies eine überwältigende Mehrheit der Amerikaner deutlich anders. Nach einer Erhebung des Fernsehsenders CBS wünschen sich 81 Prozent einen Kompromiss zwischen Weissem Haus und Republikanern und kein starres Festhalten an Positionen.
Selbst eine Mehrheit der republikanischen und parteilosen Wähler sieht das der Umfrage zufolge so. 47 Prozent der Befragten geben den Republikanern die Schuld an der verfahrenen Lage, nur 25 Prozent den Demokraten, und 21 Prozent stecken beiden den Schwarzen Peter zu.
Regierung soll Rotstift ansetzen
Möglich, dass es angesichts des nahenden Frist-Endes auf eine Flickschusterei hinausläuft, welche die drohenden Steuererhöhungen für alle hinausschiebt und dem Kongress mehr Zeit für eine langfristige Lösung einräumt. Diesen Weg scheinen eine Reihe von Republikanern zu bevorzugen, die einen Sturz über die Fiskalklippe fürchten. Selbst im Tea-Party-Lager gibt es entsprechende Stimmen.
Sollte es keine Einigung geben, wäre dies «ein haushaltspolitisches Desaster», sagt Matt Kibbe, Chef der Organisation FreedomWorks, die sich der Tea Party verbunden fühlt. Das «einzig Rationale» wäre, zumindest vorübergehend eine Verlängerung der Steuersenkungen aus der Zeit der Präsidentschaft von George W. Bush zu vereinbaren, die nach bisherigem Stand zum Jahresende auslaufen.
Aber Kibbe scheint ein einsamer Rufer zu sein unter den erzkonservativen Aktivisten im Land. «Wenn wir leiden müssen, wenn wir über die Klippe gehen, dann ist das eben so», sagt Mark Anders im US-Staat Washington. «Selbst wenn dies das Ende der Republikanischen Partei bedeutet, haben wir wenigstens die Regierung gezwungen, drastisch den Rotstift anzusetzen.»
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