Der Steuermann und sein Bremser
Erstmals nimmt der britische Premier David Cameron an einem EU-Gipfel teil. Und er zeigte gleich, was er von der Staatengemeinschaft hält.

Schon bei seinem ersten Auftritt auf einem EU-Gipfel hat der britische Premierminister David Cameron die für Briten typische Skepsis gegenüber den EU-Institutionen erkennen lassen. Bevor sich der junge Konservative mit seinen EU-Kollegen am Donnerstag in Brüssel an den Verhandlungstisch setzte, liess er sich von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in die Geheimnisse des EU-Betriebs einweihen. Barroso sagte anschliessend zur Diskussion um eine europäische Wirtschaftsregierung, die Bürger in Europa seien an Ergebnissen interessiert - «sie interessieren sich nicht für neue Institutionen und neue Verfahren».
Diese ur-britische Position fand bei Cameron grossen Beifall: «Das klingt wie Musik in meinen Ohren», sagte der 43-Jährige. «Wir sollten uns in der Tat auf das Wesentliche konzentrieren und nicht auf neue Institutionen.» Der eintägige Gipfel ist das EU-Debüt für den Anfang Mai gewählten Cameron als britischer Premier. Seine Konservativen gelten als europaskeptisch, die mit ihm in einer Koalition regierenden Liberaldemokraten sind pro-europäischer.
EU ringt um Wiederherstellung finanzpolitischer Glaubwürdigkeit
Trotz anhaltender Nervosität auf den Finanzmärkten ist die EU von einer gemeinsamen Antwort auf die Schuldenkrise noch weit entfernt. Das Gipfeltreffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel begann am Donnerstag mit scharfer Kritik an der Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, notorischen Haushaltssündern bei EU-Entscheidungen das Stimmrecht zu entziehen. Auch die von Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy vorgeschlagene EU-Wirtschaftsregierung stiess auf Bedenken.
Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann sprach sich entschieden dagegen aus, Verstösse gegen den EU-Stabilitätspakt mit einem Entzug der Stimmrechte zu bestrafen. «Wir müssen Transparenz einfordern, die nationalen Budgets vor den Parlamenten einsehen, aber wir brauchen keine Aberkennung der Stimmrechte für politische Prozesse», sagte Faymann.
Nach derzeitiger Rechtslage wäre dies auch gar nicht möglich, für die von Merkel angestrebten Sanktionen müsste der EU-Vertrag von Lissabon geändert werden. Da dieser erst im Dezember in Kraft trat, lehnen viele EU-Staaten eine neuerliche Vertragsänderung entschieden ab. Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker erklärte sie rundheraus für überflüssig: «Das Anziehen der Haushaltszügel können wir innerhalb des Vertrages regeln», sagte der Eurogruppen-Vorsitzende.
Juncker kritisiert deutsch-französischen Kompromiss zu Wirtschaftsregierung
Kritik übte Juncker auch an dem am Montag von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy vereinbarten Kompromiss über eine europäische Wirtschaftsregierung. Dieser soll alle 27 EU-Staats- und Regierungschefs umfassen, bei Bedarf sollen allerdings auch «pragmatische und operationelle» Treffen nur der 16 Euro-Länder möglich sein. Nach Ansicht Junckers ist dies unzureichend: «Die 16 Euro-Länder müssen weitergehen können als die 27», mahnte er.
Konfliktstoff birgt auch der deutsch-französische Vorstoss für eine europaweite Finanztransaktionssteuer. Besonders bei der britischen Regierung stösst diese Forderung auf wenig Gegenliebe, weil sie Nachteile für den Finanzplatz London befürchtet.
EU-Kommission will Stresstests für Banken
Um das Vertrauen der Finanzinstitute untereinander wiederherzustellen, sprach sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für die Veröffentlichung von Banken-Stresstests aus. Sie sollen anhaltende Zweifel an der Stabilität des Finanzsystems ausräumen. Die Bundesregierung begrüsste den Vorschlag: «Transparenz kann als stabilisierender Faktor hilfreich sein», erklärte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Michael Offer, in Berlin. «Deutschland steht einer Veröffentlichung des Ergebnisses von EU-«Stresstests positiv gegenüber.»
Anlass für den Vorschlag war die Sorge über Spanien, dessen Banken wegen der Probleme mehrerer Sparkassen unter Generalverdacht geraten sind. Ende Mai musste die spanische Zentralbank die andalusische Sparkasse Cajasur vor der Pleite retten. Dies löste die Befürchtung aus, der nach der Wirtschaftskrise tief in die roten Zahlen gerutschte Staat müsse weitere kostspielige Rettungsaktionen auf sich nehmen.
Dennoch fand Spanien am Donnerstag problemlos Abnehmer für Staatsanleihen im Umfang von 3,5 Milliarden Euro. Die Anleger forderten für die Schuldverschreibungen mit Laufzeiten von zehn und 30 Jahren allerdings hohe Renditen: Die Zinsen für die zehnjährigen Anleihen lagen mit 4,86 Prozent rund 0,7 Prozentpunkte höher als bei der letzten Emission Anfang Mai. Für die 30-jährigen Titel muss Spanien 5,9 Prozent Zinsen zahlen, das bedeutet ebenfalls einen Aufschlag von 0,7 Prozentpunkten im Vergleich zur vergangenen Emission.
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