Russische Soldaten blockieren Hilfsgüter
Vier Uno-Wagen mit Hilfsgütern wollten heute den Grenzübergang Karaleti zwischen Georgien und Südossetien passieren. Doch die russischen Soldaten liessen sie nicht vorbei.
Die Fahrzeuge des Welternährungsprogramms (WFP), des Weltkinderhilfswerks (Unicef) und des Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) warten eine geschlagene Stunde, dann kommt ein russischer General und erklärt klipp und klar, dass sie nicht nach Südossetien einreisen dürfen. Einen Grund nennt er nicht.
Diese Szene ist beispielhaft für die derzeitigen Machtverhältnisse in der Region. Mit Kalaschnikows bewaffnete russische Soldaten entscheiden offenbar willkürlich, wen sie nach Südossetien durchlassen und wen nicht. Russland deklariert diese Soldaten als Mitglieder einer Friedenstruppe, die zum Schutz der russischen Bevölkerung in Südossetien ebenso wie in Abchasien stationiert seien. Dass die Gebiete völkerrechtlich zu Georgien gehören, wird ignoriert.
Sarkozys Vermittlungsversuche
In dieser Situation versucht die Europäische Union zu vermitteln. Russland soll sich an die vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgehandelte Waffenstillstandsvereinigung halten und seine Truppen auf die Positionen vor Beginn des Georgien-Kriegs am 7. August zurückziehen, lautet die Forderung. Dies bedeutet, dass sie aus dem georgischen Kernland verschwinden müssten. In Südossetien und Abchasien, nach russischer Auslegung inzwischen unabhängige Staaten, würden sie aber bleiben.
Angst in der Ukraine
All dies schürt in vielen Ländern die Angst vor einem Domino-Effekt. Vor allem die Ukraine befürchtet, sie könnte als nächste das neue Machtgebaren Russlands zu spüren bekommen. Immerhin gibt es zahlreiche Parallelen zu Georgien. Beide ehemalige Sowjetrepubliken sind stark nach Westen orientiert und haben in weitgehend gewaltfreien Revolutionen die Machthaber gestürzt, die schon zu Sowjetzeiten eine wichtige Rolle spielten beziehungsweise enge Verbündete Moskaus waren.
Die strategische Bedeutung der Krim
Beide Staaten wollen der Nato beitreten, was Russland ein Dorn im Auge ist, und sie streben auch eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union an. Im eigenen Lande ist dies nicht unumstritten, da es noch einen hohen russischen Bevölkerungsanteil gibt. In Georgien haben sich die überwiegend von Russen bewohnten Regionen bereits abgespalten. In der Ukraine besteht die Gefahr, dass Russland einer solchen Bewegung massiv Vorschub leisten könnte - vor allem auf der Krim.
Diese Halbinsel im Schwarzen Meer hat für viele Russen nicht nur eine strategische, sondern auch eine emotionale Bedeutung. Sie gehörte jahrhundertelang zum russischen Zarenreich, bevor der frühere sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow sie 1954 der Ukraine schenkte. Dies war damals lediglich eine symbolische Geste, doch nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 blieb die Krim ukrainisch, wenngleich Russland weiterhin einen wichtigen Marinestützpunkt in Sewastopol unterhält.
Russland will Stützpunkt nicht aufgeben
«Es ist noch nicht zu spät, dass die Ukraine das zurückgibt, was ihr nicht gehört», erklärte unlängst der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow, der häufig offen ausspricht, was andere hinter verschlossenen Türen denken. Kritisch dürfte es spätestens 2017 werden, wenn der Pachtvertrag für Sewastopol ausläuft. Russland hat bereits angedeutet, dass es nicht gedenkt, diesen Stützpunkt aufzugeben. Der Abgeordnete Konstantin Satulin von der Kreml-Partei Einiges Russland warnte unlängst, dass die Ukraine für etwaige «Unfreundlichkeit» gegenüber Moskau einen Preis zahlen müsse.
All dies wird auch beim EU-Ukraine-Gipfel morgen in Evian eine wichtige Rolle spielen. Dass es innerhalb der Europäischen Union unterschiedliche Auffassungen über eine schnelle Anbindung der Ukraine gibt, ist beim Aussenministertreffen am Wochenende in Avignon erneut deutlich geworden. Und alle Bekundungen von Einigkeit können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die EU auch bei der Bestimmung ihrer Position gegenüber Russland derzeit im Kreis dreht. Die Nachwehen des Georgien-Konflikts werden die Weltpolitik noch lange beschäftigen.
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