Das Regime gräbt sich ein
Die Regierung Ägyptens hat auf den Aufstand mit Zugeständnissen reagiert. Sie hat bisher aber nichts getan, was ihr Machtmonopol ernsthaft gefährden würde. Das Regime will die Krise aussitzen.

Die herrschende Elite ist seit sechs Jahrzehnten am Ruder. Sie stützt sich auf eine Verfassung, die sie selbst geschrieben hat, auf Medien unter ihrer Kontrolle und auf Millionen Bürger, die von ihrem Wohlwollen abhängen.
Der bisher gefährlichsten Herausforderung setzt sie ein stures Beharrungsvermögen entgegen, das nach dem Argwohn von Gegnern nur ein Ziel hat: die Protestwelle auflaufen zu lassen und die Fäden in der Hand zu behalten, auch wenn Präsident Hosni Mubarak die Bühne verlassen hat.
Die Regierung sitzt am längeren Hebel
An welchem Hebel sie sitzt, zeigte die Regierung mit der Ankündigung einer 15-prozentigen Lohnerhöhung für rund sechs Millionen Staatsdiener: eine deutliche Botschaft an fast ein Viertel aller Beschäftigten, wem ihre Loyalität zu gelten hat.
Die führende Rolle spielt Vizepräsident Omar Suleiman, der gewiefte ehemalige Geheimdienstchef und erfahrene Unterhändler. Er hat Veränderungen versprochen, doch nach Gesprächen mit ihm am Sonntag warnten Regimegegner, die von ihm angebotenen Schritte zu demokratischen Reformen seien eher Kosmetik mit dem Ziel, die Opposition zu spalten und zu beherrschen.
Nichts als Rauchschleier seien die Zugeständnisse, findet der oppositionelle Richter Sakarija Abdel Asis: «Das Regime hetzt bloss die Leute gegeneinander. Das ist das Szenario, und das Ziel ist, Zeit zu schinden.»
«Schweres Geschütz»
Die Demonstranten merken durchaus, dass das Regime sich eingräbt. «Jetzt sind wir in einem nervenzerfetzenden Stadium», sagt der Kolumnist Wael Abdel Fattah. «Das Regime fährt schweres Geschütz auf, greift zu psychologischer Kriegführung, terrorisiert die Demonstranten, isoliert sie von der Gesellschaft und stellt Mubarak als Vaterfigur dar», um die breite Masse zu überzeugen, dass er bleiben und den Übergang anführen müsse.
Das bisherige Entgegenkommen der Regierung wäre noch vor drei Wochen unvorstellbar gewesen. Der 82-Jährige Mubarak will im Herbst für keine weitere Amtszeit mehr kandidieren, sein Sohn Gamal will laut Suleiman nicht versuchen, ihm nachzufolgen.
Der für die Polizei zuständige verhasste Innenminister wurde geschasst und die komplette Führung der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP) ausgetauscht, obgleich Mubarak offiziell Vorsitzender bleibt.
Suleiman erklärte, man könne über alle Reformvorschläge reden, und stimmte sogar Gesprächen mit der verbotenen Muslimbruderschaft zu. Ausschüsse sollen sich über Verfassungsänderungen Gedanken machen.
Muster der Konsolidierung und nicht der Reform
Doch all das bleibt an der Oberfläche. Tief greifende Reformen müssten an den Säulen des mächtigen Bündnisses ansetzen, das Ägypten seit Jahrzehnten beherrscht: Regierungspartei, Streitkräfte und Sicherheitsdienste.
Ihre Stärke hat vielerlei Gründe: Der seit 30 Jahren geltende Ausnahmezustand gibt der Polizei weitreichende Vollmachten, die Verfassung schützt die Führungsrolle der Partei, Wahlbetrug ist üblich. Die Regierungspartei gebietet über Medien, Behörden und staatseigene Firmen, die Millionen Menschen Lohn und Brot geben.
Die personellen Veränderungen hätten nichts dazu getan, die NDP auf mehr Distanz zu Präsident und Staatsapparat und näher an eine Ebene mit anderen politischen Kräften zu bringen, sagte der Politikwissenschaftler Amr Hamsawi.
Er gehört dem selbst ernannten «Rat der Weisen» an, der mit Suleiman konferiert hatte. «Was wir gesehen haben, ist ein Muster der Konsolidierung und keines der Reformen», erklärte er. «Was da nach mehreren Gesprächsrunden angeboten wird, ist zu wenig, um das Gefühl zu haben, dass wir auf dem Weg zur Demokratie sind.»
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch