Autofriedhof: Ferien statt räumen
Franz Messerli muss in einer Woche die Hälfte seines Autofriedhofs in Kaufdorf geräumt haben. So verlangt es die Gemeinde. Doch statt mit schweren Maschinen die Kultstätte zu räumen, spannt er in Thailand aus.

Sie scheint sich hier auszukennen, springt vom Autodach auf die Motorhaube, hebt den Schwanz und fordert Streicheleinheiten. In einem zerlegten Mitsubishi mit französischem Nummernschild steht ihr Fressnapf mit Trockenfutter. Daneben hat jemand ein Badetuch zu einem Katzenbettchen zusammengefaltet. Dies sei die Autofriedhof-Katze, sie komme ihn ab und zu bei der Arbeit besuchen, sagt der Mann, der sei-nen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Seit 29 Jah-ren zerlegt er für Franz Messerli Autos, demontiert, was noch zu Geld gemacht werden kann. Heute sind es Bremslichter, morgen vielleicht Autobatterien. «Grabschändung»Der Mann müsste dieser Tage eigentlich mit einer Baumaschine statt mit einem Schraubenschlüssel hantieren. Denn der südliche Teil des Autofriedhofs muss bis in einer Woche geräumt sein. So wollen es die Gemeinde, der Kanton, das Verwaltungs- und sogar das Bundesgericht. Doch weder am Borgward Isabella noch am Fiat Topolino wurde bisher Hand angelegt. Er werde hier bestimmt keines der Fahrzeuge verschieben, sagt der Angestellte, das käme einer Grabschändung gleich. Auch sein Chef wolle auf dem Gelände nichts verändern. Franz Messerli sei nicht da, sagt der Mann in der Garage vis-à-vis dem alten Bahnhof. Auch er will seinen Namen hier lieber nicht lesen und erzählt vom Rummel, der in den letzten Wochen und Tagen ausgebrochen sei: Ständig läute das Telefon, erkundigten sich Private und Medienschaffende, wie es denn nun mit dem Autofriedhof weitergehe, und stünden Touristen aus Deutschland und aus Österreich vor der Türe. Sie hätten im «Spiegel» vom «Zauberwald», von der «letzten Ruhestätte für 500 Uralt-Autos» gelesen. «Franz ist das alles zu viel geworden», sagt er. Deshalb sei der Chef nach Thailand in die Ferien geflogen. Messerli, lässt der Mann wissen, sei am 7.April, mit etwas Glück vielleicht auch schon einen Tag früher, wieder zu sprechen. Ein Mobiltelefon besitzt der Schrott- und Autohändler keines, und in welcher Ecke des Ferienparadieses er erreichbar ist, ist auch nicht zu erfahren. Optimismus versprühen«Ich gehe davon aus, dass Franz Messerli räumen wird», sagt Gemeindepräsident Markus Borer (SP). Er habe schliesslich die bisher verfügten Massnahmen auch umgesetzt. Konkret heisst dies: Dem Schrotthändler wurden im Juni 2004 23 einzelne Sanierungsmassnahmen mit entsprechenden Fristen auferlegt. Ein Grossteil der Auflagen wurden erfüllt. Aber: Die grössten Eingriffe stehen jetzt an. Wird sich der 59-Jährige nun weigern, das von seinem Vater Walter 1933 begonnene Lebenswerk dem Erdboden gleichzumachen? Wenn ja, setzt der Amtsschimmel zum Galopp an. Die Gemeinde wird ihm noch Anfang April eine kurze Nachfrist gewähren, um den südlichen Teil des Autofriedhofs zu räumen. Lässt Messerli auch diese Tage ungenutzt verstreichen, wird die Gemeinde das Areal zwangsräumen und ihm die Rechnung schicken.Wer wird bezahlen?Der eigens zur Rettung des Autofriedhofs ins Leben gerufene Förderverein geht davon aus, dass die Räumung rund 2 Millionen Franken kosten wird. «Ich kann die Räumung nicht bezahlen», sagte Messerli im Februar gegenüber dieser Zeitung. Deshalb zeichnet sich ab, dass die Räumungskosten an der Gemeinde Kaufdorf und damit ihren rund 950 Einwohnern hängen bleiben. «Ein Restrisiko», sagt Gemeindepräsident Borer, «besteht immer. Doch das Recht gilt für alle Bürger, auch für Messerli.» Gemäss Borer hat die Gemeinde noch keine Offerten bei Abbruchfirmen und bei spezialisierten Unternehmen für Altlasten eingeholt. «Darum müssen wir uns vorläufig noch nicht kümmern», so Borer (zweck)optimistisch.Die Räumungskosten auch nicht kümmern werden die Autofriedhof-Katze – wenigstens so lange nicht, wie ihr Messerlis Mechaniker täglich von neuem den Fressnapf füllen kann.
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