Befreit in der Inneren Enge
Mit Caron «Sugaray» Rayford eröffnete das 44. Jazzfestival Bern. Es war ein grandioses Konzert, musikalisch top und nah an den Menschen – aber mit ein paar Schwierigkeiten.

Am Schluss, ja am Schluss ward dann endlich alles gut. Und zwar inklusive Gänsehaut, Schüttelfrost, Entzückung und Glückseligkeit. Dann nämlich, als Caron «Sugaray» Rayford einen Stuhl auf die Bühne hievte, sich, verschwitzt wie er war, mit einem Seufzer hinsetzte, das Mikrofon wegstellte und den Blues in seiner reinsten Form in den Raum fliessen liess.
Seine Band spielte zart die Melodie an, und «Sugaray» sang «Worry, Worry, Worry», so, wie das nur ganz wenige können: unverstärkt, mit Inbrunst, seufzend, gewaltig.
«Worry, Worry, Worry»: Konzertausschnitt von Caron «Sugaray» Rayford am Lucerne Blues Festival 2014. Video: Youtube/jorjunkel
Vielleicht ein bisschen so, wie er das damals in Texas gelernt hat, als er noch im Gospelchor sang. Caron Rayford, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat bereits als Teenager bei der R&B-Funkband Urban Gypsys erste Bühnenerfahrungen gesammelt und fand mit der Band Aunt Kizzy's Boyz zum Blues. Heute ist er 50 Jahre alt und gehört zu den internationalen Grössen des Genres.
Hochkarätige Band
Eine würdige Eröffnung für das altehrwürdige Jazzfestival Bern, das heuer zum 44. Mal stattfindet und sich in den ersten Wochen dem Blues und dem Soul verschrieben hat. Gerade auch Rayfords Band zeigte schon mal auf, was in Sachen Musikgrössen in den nächsten zwei Monaten so zu erwarten sein wird.
Ein Ausschnitt aus dem Konzert vom Mittwochabend in Bern. Video: Facebook/Jazzroom Marians
So standen mit Giles Straw an der Trompete und Aaron Liddard am Saxofon am Dienstag zwei Musiker auf der Bühne, die mit Amy Winehouse gespielt haben, Lavell Jones am Schlagzeug hatte bei Neil Diamond mitgewirkt, Drake «Munkhaid» Shining ist eine Legende an der Hammond und sass etwa bei Deep Purple an den Tasten.
Gitarrist Alastair Greene war mit Eric Burdon oder Bobby Rush auf der Bühne. Hochkarätig also die Besetzung, abgebrüht und unerschütterlich. Letzteres mussten sie auch ein bisschen sein, denn nicht ganz alles lief wie vorgesehen.
«Sugaray Rayford ist eine Erscheinung, nahezu zwei Meter gross, mit ordentlich Bauch und einem ebensolchen Stimmorgan.»
Das Konzert begann mit dem Big-Bill-Broonzy-Song «Bricks in My Pillow», ein Bluesklassiker, und er heizte dem Publikum ordentlich ein. Doch schon beim nächsten Stück blickte «Sugaray» Rayford immer mal wieder hinüber zur Soundtechniker-Box und zeigte auf sein Mikrofon.
Als der Song zu Ende war, schaute er, mit der Hand an der Stirn das Scheinwerferlicht abschirmend, hinüber in die Box, wo der Techniker eigentlich sitzen sollte, und musste feststellen, dass da niemand war. Tatsächlich fühlte sich minutenlang niemand im Raum so richtig zuständig.
«Sugaray» nahm die Sache selber in die Hand und schickte seinen Trompeter kurzerhand raus, um Hilfe zu holen, während Saxofonist Aaron Liddard die Zeit mit einem Solo überbrückte. Irgendwann tauchte der Soundtechniker dann auf, und alles ward besser.
Der Lebemann
«Sugaray» Rayford ist eine Erscheinung, nahezu zwei Meter gross, mit ordentlich Bauch und einem ebensolchen Stimmorgan. Dennoch tänzelte er auf der Bühne, schwenkte seinen Hintern, ging in die Knie und drehte Pirouetten, wie eine zarte Ballerina. Schnell einmal wurde klar: Der Mann ist gekommen, um sich zu amüsieren.
Der Song «The Revelator» ab Rayfords neuem Album «Somebody Save Me». Quelle: Soundcloud/Forty Below Records
Er ist eine Bombe auf der Bühne. Das Publikum frisst ihm aus der Hand. Zwischen den Liedern erzählte er von seinen Liebes- und Leidensgeschichten, sprach vom Wein und von den Zigarren, sagte, welches Essen und welche Frauen er mag, dass er, wenn es einmal so weit sei, einen komplett verbrauchten Körper übrig lassen wolle.
So ungezähmt und nah am Leben waren dann auch die Songs, die es zu hören gab. Aber Platz braucht dieser Mann, Platz für die grossen Gesten, für die Fülle von schweren Bluessongs wie etwa «Blind Allie» oder «I Play the Blues for You» und Raum für Soulstücke wie etwa «Don't Regret a Mile», in denen er wie der junge Otis Redding klingt.
Man kam nicht umhin, zu denken, dass es ihm ein bisschen zu eng war, hier in der Inneren Enge. Doch dann setzte er sich eben hin, schob das Mikrofon weg und liess den Blues roh und unverstärkt fliessen – und gut wars.
«Sugaray» Rayford Band noch bis Samstag, 16.3, im Marians Jazzroom. Nächste Woche: Walter «Wolfman» Washington & The Roadmasters. Jazzfestival Bern bis 18. Mai. www.jazzfestivalbern.ch
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