Bei Zenger dauerts etwas länger
Schwingen 1999 war er «Täfelibueb», 2011 verletzte er sich schwer: Niklaus Zengers Karriere ist eng mit dem Unspunnen-Schwinget verbunden. Der 27-Jährige aus Habkern hat in dieser Saison sein erstes Kranzfest gewonnen – was einen Unbekannten zu einer kriminellen Tat verleitete.
Es gibt Schwinger, die machen in den Tagen vor einem Grossanlass keinen Schritt zu viel. Und es gibt solche, die helfen beim Errichten der Arena. Niklaus Zenger stellt derzeit auf der Interlakner Höhematte Tribünen auf, montiert Schalensitze. «Ehrensache» sei dies für ein Mitglied des lokalen Schwingklubs, meint der 27-Jährige. «Es wird ein gutes Gefühl sein, am Sonntag in der Früh vor 15 000 Leuten einzulaufen, im Wissen, beim Aufbau dabei gewesen zu sein.»
Aus regionaler Optik ist der in Habkern lebende Zenger der einzige Teilnehmer am Saisonhöhepunkt. Vergangenen Spätsommer in Estavayer sicherte er sich den Kranz – wie drei Jahre zuvor in Burgdorf. Vor ihm war es Erwin Amacher als letztem Athleten des SK Interlaken gelungen, am «Eidgenössischen» Eichenlaub zu gewinnen. In Langenthal, 1983 . . .
Neun Operationen
Die Karriere Niklaus Zengers ist eng mit dem Unspunnen-Schwinget verbunden. 1999 stand er als «Täfelibueb» im Einsatz, damals fuhr der Schüler noch Skirennen. Fasziniert vom Anlass, besuchte er kurz darauf ein Schwingtraining – wobei es sich nicht um Liebe auf den ersten Blick handelte.
Als Jungschwinger sei er «nichts wert» gewesen, meint Zenger, der nur 15 Zweige holte, derweil Bruder Michael 50 Feste gewann. «Auf Videos ist zu sehen, wie mein Bruder sechs Gänge gewinnt, während ich viermal auf dem Rücken liege und heule.» Während sich Michael bei den Aktiven nicht etablierte (2 Kranzgewinne), fiel Niklaus der Übertritt leichter. «Ich war mir das Verlieren gewöhnt, liess mich weniger unterkriegen als andere.»
«Auf Videos ist zu sehen, wie mein Bruder sechs Gänge gewinnt, während ich viermal auf dem Rücken liege und heule.»
Zenger ist bei 31 Kränzen angelangt. Es wären weitaus mehr, hätte er nicht eine derart lange Verletzungsgeschichte. Neun Operationen hat er über sich ergehen lassen müssen, die Leidenszeit nahm 2011 ausgerechnet am Unspunnen-Schwinget ihren Anfang. Der Maschinist riss sich Meniskus und Innenband, er spricht von einem Horrorerlebnis quasi vor der Haustür. «Ich wollte unbedingt weiterschwingen, die Kollegen mussten mich mit aller Kraft zurückhalten.» Bei der Nachkontrolle kam ein beidseitiges Hüftleiden zum Vorschein, die Pause dauerte länger als eine Saison. 2014 zog sich Zenger einen Kreuzbandriss zu, im zweiten Training nach dem Comeback nahm das Syndesmoseband Schaden. Vergangenen Winter folgte ein Eingriff an der Patellasehne.
Aufgeschlitzte Reifen
Seit dem letzten Rückschlag ist Zenger von Verletzungen verschont geblieben – was sich auf seine Leistungen ausgewirkt hat. Nun, im letzten Drittel seiner Karriere, schwingt er besser als je zuvor: Auf dem Brünig wurde er Dritter, am «Bernisch-Kantonalen» in Affoltern Vierter, auf dem Weissenstein Fünfter. Gar obenaus schwang er in Heimenschwand, mit dem «Emmentalischen» gewann er erstmals ein Kranzfest. Einige monierten, er habe primär von den Umständen – im Schlussgang war er auf einen «Nicht-Kranzer» getroffen – und von der günstigen Einteilung profitiert.
«Ich fragte mich immer wieder, wer mich so sehr hassen sollte.»
Wobei es anzumerken gilt, dass er gegen Matthias Sempach antreten musste, zwei «Eidgenossen» bodigte. Nach dem Coup fand Zenger sein Auto mit aufgeschlitzten Reifen vor, was in der Szene für Aufruhr sorgte, gehört Vandalismus doch so wenig zum Schwingsport wie Ballett oder der Body-Mass-Index.
Vom Sieg euphorisiert, habe er sich darüber kaum Gedanken gemacht, meint der Oberländer. «Doch in den Tagen danach hat mich das Ganze stark beschäftigt.» Gewiss sei er kein zufälliges Opfer gewesen, habe es doch keine anderen Vorfälle gegeben. Anzeige gegen unbekannt habe er eingereicht, «und ich fragte mich immer wieder, wer mich so sehr hassen sollte». Er sei schliesslich «kein Ungerader», erzählt er lachend.
Musik zwischen den Gängen
Das Geschehene ist längst abgehakt, zu weiteren Vorfällen ist es nicht gekommen. «Um ans Unspunnenfest zu gelangen, brauche ich glücklicherweise kein Auto», meint Zenger schmunzelnd. Weil es in Interlaken keine Kränze zu gewinnen gebe, sei der Druck geringer als anderswo; «zu verlieren gibt es für mich eigentlich nichts». Siegchancen hat der Lokalmatador kaum, eine Platzierung in der erweiterten Spitze ist ihm jedoch zuzutrauen.
Zenger, der sich an den Festen meistens zurückzieht, als einer der wenigen Schwinger zwischen den Gängen Musik hört («Immer das Lied ‹Can't Stop› von den Red Hot Chili Peppers»), will die Berner Equipe so gut es geht unterstützen. «Wenn es die Situation erfordert, werde ich defensiver schwingen als üblich, um einen gut im Wettkampf liegenden Konkurrenten entscheidend zurückzubinden.» Den eigenen Teilverband schätzt er ungemein stark ein. «Ich bin sicher, dass ein Berner gewinnen wird.»
Zenger wird nach dem Fest die Füsse nicht hochlagern, die Saison beendet er erst Ende September. Der Unspunnen-Schwinget dürfte ihn unabhängig vom Resultat noch ein Weilchen beschäftigen. Schliesslich hat er zugesagt, beim Abbau der Tribünen Hand anzulegen.
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