Ben Alis Miliz stiftet weiterhin Unruhe
Tunis verbittet sich eine ausländische Einmischung bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme.
Tunesien Von Oliver Meiler, Marseille Es trifft die Tunesier in ihrem Stolz, wenn an ihrer Fähigkeit gezweifelt wird, für Recht und Ordnung in ihrem Land zu sorgen, wie das Italiens Regierung tat. Und so schloss Tunis schnell aus, dass man sich von italienischen Beamten bei der Sicherung der Küsten helfen lasse. Willkommen ist nur logistische Hilfe. Nur: Die Zweifel sind berechtigt. Erst ein Monat ist verstrichen, seit das tunesische Regime kollabiert ist. Seither sucht das Land nach einer neuen Balance. Die Wirtschaft hofft auf Ruhe für die Geschäfte, am meisten der gebeutelte Tourismus. Auch die Übergangsregierung, die nach dem Rücktritt des Aussenministers nun bereits zum zweiten Mal umgebildet werden muss, sehnt sich nach Normalität, um bald Wahlen veranstalten zu können. Und obschon vielerorts die Märkte und Cafés wieder voll sind, in den Fabriken wieder gearbeitet wird, scheint die Hoffnung auf einen ruhigen Übergang fragil. Gestört wird sie von paramilitärischen Milizen aus der Zeit Ben Alis, die in den letzten Wochen immer wieder marodierend durch Provinzstädte und durch Banlieues der Hauptstadt Tunis zogen, Supermärkte überfielen und Schüler und Eltern auf dem Schulweg einschüchterten. Es heisst, sie stünden im Sold der alten Machtclans und würden von Ben Alis einstigem Sicherheitschef orchestriert – aus dem Exil. Sie operieren in kleinen Gruppen und sind bewaffnet. Ihr Ziel ist es, für Chaos und Anarchie zu sorgen, damit das Bedauern über den Umsturz wächst. Ihre grösste Machtdemonstration erbrachten die Nostalgiker vor zwei Wochen, als 2000 oder 3000 von ihnen den neuen Innenminister mit Drohgebärden aus dessen Büro vertrieben. Der Minister unterhielt sich gerade mit dem Armeechef, Rachid Ammar, einem Helden der Revolution. Verhaftet wurden danach nur 50, die schnell wieder freikamen. Offenbar gibt es im Staatsapparat noch immer viele Stellen, die dem alten Regime näherstehen als dem Volk. Reservisten mobilisiert Der Armee mangelt es an Leuten und Mitteln für den Schutz der Bevölkerung und der Institutionen. Ben Ali hatte das Heer mit 35 000 Mann klein gehalten und stockte dafür das regimetreue, im Volk verhasste und korrupte Polizeicorps bis auf 120 000 Mann auf. Viele Polizisten verweigern nun die Arbeit. Der Regierungschef drohte ihnen mit Sanktionen, wenn sie ihre Posten nicht wieder bezögen. Und so musste der Armeechef vor einigen Tagen Reservisten mobilisieren, um die Lücken zu füllen. In den Strassen und an den Küsten soll die Staatsgewalt wieder besser sichtbar werden. Eine neue postrevolutionäre Normalität soll einkehren.
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