Berner Fachhochschule gerät ins Hintertreffen
Erstmals haben 2016 mehr Berner Studenten an Fachhochschulen in anderen Kantonen studiert als umgekehrt. Erziehungsdirektor Bernhard Pulver fürchtet um die Attraktivität der Berner Fachhochschule.

Die meisten Schweizer Fachhochschulen haben in den letzten Jahren dasselbe Ziel verfolgt: die Anzahl Standorte zugunsten von Campusbauten zu verringern. Dies nicht zuletzt deshalb, weil unter den Schulen ein harter Wettbewerb um Studierende herrscht. Und mit einer modernen Infrastruktur bleibt man attraktiv für die Klientel.
So hat die Fachhochschule Nordwestschweiz 2013 in Brugg-Windisch und Olten neue Campusse für über 5000 Studierende eröffnet. Ein Jahr später folgte die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit ihrem Neubau auf dem Toni-Areal.
Entsprechende Pläne werden zwar auch im Kanton Bern verfolgt. Aufgrund des Streits um die Standorte ist man aber Jahre im Verzug. Bisher konnte sich die Politik einzig auf den Campus Biel einigen, der frühestens 2021 eröffnet werden soll. Für Bern hingegen könnte sich aufgrund der neusten Querelen um die Berner Fachhochschule (BFH) eine Lösung noch weiter verzögern (siehe Kasten).
Weniger grosses Wachstum
Wie Recherchen zeigen, kommt dieses Zögern die BFH und den Kanton Bern bereits heute teuer zu stehen. Der Grund: Immer mehr Berner Studenten wollen an Fachhochschulen in anderen Kantonen studieren. Im Vergleich dazu nimmt die Anzahl Jugendliche aus anderen Kantonen, die für eine Ausbildung nach Bern kommen, weniger stark zu. Erstmals war dieser Saldo im vergangenen Jahr negativ, wie die neusten Zahlen der Erziehungsdirektion (ERZ) zeigen.
Für den Kanton Bern hat dies finanzielle Konsequenzen. Er bezahlt den Standortkantonen der Fachhochschulen für die Berner Studenten Beiträge. 2016 waren das 35,3 Millionen Franken. Umgekehrt müssen auch die anderen Kantone der BFH Geld bezahlen, wenn ihre Studenten nach Bern kommen wollen – im letzten Jahr 34,9 Millionen Franken.
Unter dem Strich resultiert so für 2016 ein Verlust von 0,4 Millionen. Noch 2012 betrug dieser Saldo 3,2 Millionen zugunsten des Kantons Bern. Um wie viele Studenten es sich handelt, die zwischen den Kantonen wechseln, kann die ERZ nicht sagen. Denn die Beiträge richten sich nicht nach Studenten, sondern nach Studienleistungen in ECTS-Punkten und nach Fachrichtung.
Für Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) ist klar: «Auch wenn der Saldo nur eine Momentaufnahme ist, müssen wir dies ernst nehmen. Der negative Betrag zeigt, dass wir ein Problem haben.» Zwar nähmen auch bei der BFH die Studierendenzahlen zu. «Der negative Saldo weist aber darauf hin, dass das Wachstum an anderen Fachhochschulen stärker ausfällt», so Pulver.
Tatsächlich nahm die Studierendenzahl in Bern zwischen 2011 und 2016 um 16 Prozent zu – von 5913 auf 6864 Personen. Bei der Fachhochschule Nordwestschweiz betrug das Wachstum hingegen 33 Prozent.
Attraktivität nimmt ab
Als Hauptgrund für diese Entwicklung sieht Pulver neben den teilweise unterschiedlichen Ausbildungsmöglichkeiten die abnehmende Attraktivität der BFH im Vergleich zur Konkurrenz. «Praktisch alle anderen Schulen haben in den letzten Jahren ihre Standortkonzentration vorangetrieben und neue Campusse gebaut. Im Kanton Bern sind wir da weit hinten nach», sagt er.
Dass solche Neubauten mehr Studenten anziehen könnten, habe Pulver bei der Fachhochschule Westschweiz gesehen. «Seit die Ingenieurausbildung 2011 in einem Neubau in Neuenburg konzentriert wurde, haben sich die abnehmenden Studentenzahlen stabilisiert.»
Komme hinzu, dass die BFH in den letzten Jahren viel Energie in die Standortfrage habe stecken müssen. «Diese Energie sollte eigentlich in die Weiterentwicklung der Studiengänge investiert werden.» Da dies aber weniger gut möglich sei, solange kein Schlussstrich unter die politische Debatte gezogen werde, könne auch das zu einer gewissen Abwanderung von Studenten führen.
BFH-Rektor relativiert
BFH-Rektor Herbert Binggeli sagt dazu: «Trotz nach wie vor schwierigen Standortvoraussetzungen müssen wir gut sein – und wir sind es auch.» Dass für die Abwanderung von Berner Studenten in andere Kantone die Qualität der BFH eine Rolle spielen könnte, glaubt er nicht. Die genauen Gründe für den negativen Saldo müssten zuerst analysiert werden.
Zudem hält Binggeli fest: «Wir haben zwar kein massives Wachstum, aber nach wie vor ein Wachstum. Sorgen mache ich mir keine.» Es sei aber klar, dass eine moderne Infrastruktur auch mehr Studenten und Dozenten anziehen würde. Deshalb rechnet er damit, dass die Attraktivität der BFH und das Studentenwachstum steigen werden, sobald die Campusse in Biel und Bern dereinst eröffnet sind.
Das glaubt zwar auch Erziehungsdirektor Pulver. Aber: «Bis dahin müssen wir aufpassen, dass wir überhaupt noch eine konkurrenzfähige Fachhochschule haben.»
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