Bis die Stimme versagt
In Florida legt Bill Clinton einen regelrechten Wahlkampf-Marathon hin. Auch wenn der Ex-Präsident bei seinen Auftritten etwas müde wirkt: Sein Einsatz für Barack Obama vermag die Leute zu begeistern.
Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney mag millionenschwere Unterstützer, ein riesiges Mitarbeiterteam und jahrelange Wahlkampferfahrung haben. Ein wesentlicher Aktivposten, auf den Amtsinhaber Barack Obama bauen kann, fehlt ihm allerdings: Bill Clinton. Der 66-jährige Ex-Präsident wirbt in den heiss umkämpften Staaten unermüdlich für Obama und hält mehr Wahlkampfreden als der Präsident selbst.
Clinton ist in jedem Swing State präsent und seziert Romneys Argumente in seiner bodenständigen, aber detailverliebten Art, so wie er das bereits auf dem Parteitag der Demokraten Anfang September in North Carolina getan hat. Viele Aktivisten fragten sich seinerzeit, warum es Obama selbst nicht gelingt, derart überzeugend für seine eigene Sache zu werben.
Kampf um Florida
Der vergangene Freitag war ein typischer Wahlkampftag für Clinton: Er besuchte fünf verschiedene Orte in Florida, von Palm Beach im Süden bis Tallahassee im Norden. Romney hatte gehofft, das Rennen in dem überaus wichtigen Swing State schon längst für sich entschieden zu haben. Doch weil das eben noch nicht sicher ist, wird auch er morgen nach Florida zurückkehren.
Clinton, die Stimme noch heiserer als sonst, kritisierte Romneys Steuerkürzungspläne in Palm Bay scharf. «Ich verstehe nicht, wie Leute wie ich nachts ruhig schlafen können sollen, wenn wir noch eine Steuererleichterung bekommen, indem wir (das Geld) von euch nehmen», sagte er unter dem Jubel von mehreren Hundert Menschen, die ihm den Wohlstand, den er nach seiner Amtszeit erlangte, ganz offensichtlich nicht neideten.
Erinnerung an eigenen Haushaltsüberschuss
Unter einer strahlenden Mittagssonne legte Clinton sein Jackett ab und lockerte die Krawatte. Dann zählte er die Vorteile von Obamas Gesundheitsreform auf und nannte Zahlen über den jüngsten Rückgang bei den Gesundheitskosten. «Das ist es, was Herr Romney abschaffen will», sagte Clinton. Überall lobt der Ex-Präsident Obama ausgiebig, erinnert die Wähler aber zugleich auch an seine eigenen Verdienste während seiner Amtszeit. «Ich bin der einzige lebende Präsident, der euch jemals einen Haushaltsüberschuss gegeben hat», sagte er in Palm Bay. Obamas Politik, fügte er hinzu, sei seiner eigenen viel näher als jene Romneys.
Auch Obama selbst verweist gern auf Clinton. Während eines Auftritts in Ohio am Freitag bezog sich der Präsident allein viermal auf Clinton. «Acht Jahre lang hatten wir einen Präsidenten, der unsere Ansichten teilte, und sein Name war Bill Clinton», sagte Obama. «Sein Wirtschaftsplan forderte von den reichsten Amerikanern, ein bisschen mehr zu zahlen, damit wir unser Defizit verringern und in die Fähigkeiten und Ideen unserer Menschen investieren konnten.» Romney habe sich diesem Plan widersetzt, und seine Rechnung «war damals so schlecht, wie sie es heute ist».
Der weisshaarige Clinton wirkt manchmal ausgelaugt und müde, manchmal verspricht er sich. Kürzlich entschuldigte er sich, weil er von Pennsylvania sprach, als er in Ohio auftrat. Und er kommt noch immer häufig zu spät, selbst bei Veranstaltungen am Vormittag. Doch der Mann, der 2008 zugunsten seiner Frau Hillary – als diese parteiintern gegen Obama antrat – neun Wahlkampfauftritte an einem Tag absolvierte, blüht noch immer auf, wenn er vor Anhängern spricht.
«Clinton kann Wechselwähler auf seine Seite ziehen»
Und in keinem Staat ist Clintons Unterstützung wertvoller als in Florida, wo die Familie der Bushs einen grossen Namen hat. Während Obama den Namen seines Vorgängers so oft wie möglich erwähnt, kann Romney kaum auf George W. Bush anspielen – dessen Popularität ist angesichts der Wirtschaftskrise bei seinem Ausscheiden aus dem Amt und des höchst umstrittenen Irakkriegs stark gesunken. Immerhin macht Romney Wahlkampf mit Bushs Bruder Jeb, einem früheren Gouverneur Floridas, der noch immer äusserst beliebt ist.
Viel wurde über das einst frostige Verhältnis zwischen Clinton und Obama geschrieben. Clinton hatte beispielsweise Obamas Darstellung, stets gegen den Irakkrieg gewesen zu sein, 2008 als Märchen bezeichnet. Echte Kumpel mögen die beiden wohl nie werden. Doch Clintons Unterstützung wirkt nun echt und die Anhänger der Demokraten sind begeistert. «Die Republikaner haben der Anziehungskraft und der Überzeugungskraft des Ex-Präsidenten Clinton nichts entgegenzusetzen», sagt Doug Hattaway, ein Berater mit engen Beziehungen zu den Clintons. «Er kann Demokraten aktivieren und moderate Wechselwähler auf seine Seite ziehen.»
Bruce Marvin, der an einer Veranstaltung Clintons in Chillicothe in Ohio teilnahm, sagt, der Ex-Präsident erkläre Obamas Pläne verständlicher als der Kandidat selbst. «Ich denke, das stützt das, was Obama vielleicht nicht rüberbringen konnte», sagt Marvin.
dapd/mrs
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