Boris Johnsons guter Tag in Interlaken
Die Ereignisse überschlugen sich am Freitag: In London tritt Theresa May als Premierministerin zurück, und in Interlaken bestätigt Boris Johnson, dass er ihr Nachfolger werden will.

Die Nachricht machte wie ein Lauffeuer die Runde. Die Teilnehmer am Swiss Economic Forum in Interlaken erhielten gestern Vormittag die Meldung auf ihr Handy, dass die britische Premierministerin Theresa May unter Tränen ihren Rücktritt angekündigt hatte.
Sofort stellte sich die Frage, ob Mays möglicher Nachfolger Boris Johnson trotz der Turbulenzen in London nach Interlaken kommen würde, wo er als Stargast angekündigt war.
Der Mann mit dem blonden Wuschelkopf kam: Um 14.30 Uhr betrat er unter grossem Applaus die Bühne. Im Gespräch mit Moderator Urs Gredig zog der Verfechter eines harten Brexit das Publikum im Saal sofort in seinen Bann.
Der für seine lockeren Sprüche bekannte Politiker punktete schon zu Beginn mit einem ersten Scherz: «Es ist ein guter Tag, nicht in London zu sein.»
Ja, er will
An diesem historischen Tag bestätigte er seine Ambitionen, Nachfolger von Theresa May zu werden. «Auf jeden Fall werde ich kandidieren», stellte er klar. Über sein genaues Programm wollte er keine Ausführungen machen.
Das werde er zu gegebener Zeit tun: «Dann werden Sie viel mehr darüber hören, als Ihnen lieb ist», witzelte er. Die Konservativen wollen bis Ende Juni eine Kandidatenliste erstellen. Im Juli wird die Partei dann die Nachfolge regeln. Laut den Buchmachern hat Johnson die besten Chancen aller Kandidaten.
Für Theresa May hatte er nur ein paar Höflichkeitsfloskeln übrig: «Ich zolle ihr meine Anerkennung. Sie hat unglaublich hart gearbeitet. Und dabei ist sie immer stoisch ruhig geblieben.»
Für den 54-Jährigen ist klar, dass Grossbritannien am 31. Oktober die Europäische Union verlassen wird. «Sei es mit einem Deal oder ohne», stellte er klar. Um ein möglichst gutes Verhandlungsergebnis zu erreichen, müsse sich das Land auch auf einen sogenannten No-Deal-Brexit vorbereiten.
Mister Hard Brexit
Johnson gilt als Vertreter eines harten Brexit. Er will, dass Grossbritannien sein volles Selbstbestimmungsrecht zurückerhält. Weil er den Kurs von Premierministerin Theresa May nicht mehr mittragen konnte, trat er 2018 als Aussenminister zurück. Zuvor war er Bürgermeister von London. In dieser Funktion wurde er landesweit bekannt.
Bei der Analyse der Situation seines Landes wurde er ziemlich ernst: «Es ist zu einem Zusammenstoss zwischen der direkten Demokratie und der parlamentarischen Demokratie gekommen.»
Das Verdikt des Volkes sei in der Zwischenzeit verloren gegangen, fügte er an. «Aber am Ende wird sich der Volkswille durchsetzen», gab er sich überzeugt. Sonst werde es harsche Reaktionen geben.
Den Vorschlag, eine zweite Brexit-Abstimmung durchzuführen, finde er eine «schlechte Idee. Ich bin überzeugt, dass sich bei einer zweiten Abstimmung mehr oder weniger das gleiche Resultat ergeben würde.»
Die Parallelen zur Schweiz
Johnson zog auch Parallelen zwischen der Situation der Schweiz und Grossbritannien. «Wir müssen beide stark bleiben», forderte er. Für ihn sei es vorbildlich, wie die Schweiz ihre Souveränität behalten habe und trotzdem eng mit der EU verflochten sei.
«Das Schweizervolk hat seineSouveränität entschieden verteidigt. Da hat es dasRichtige getan.»
«Da haben Sie das Richtige getan», sagte er zu den 1350 Zuhörerinnen und Zuhörern im vollen Saal. Da beide Länder künftig Nicht-EU-Mitglieder sein werden, glaubt er, dass es zwischen ihnen viele Gemeinsamkeiten geben könnte. «Die Schweiz und Grossbritannien sind natürliche Partner», betonte der Konservative.
Genugtuung des Siegers
Weiter äusserte er sich zufrieden darüber, dass die schlimmsten Prognosen, die vor der Brexit-Abstimmung gestellt worden sind, nicht eingetroffen sind: «Nach der Abstimmung sind keine Flugzeuge vom Himmel gefallen.
Und es gab auch keine Produktionsunterbrüche bei der Herstellung von Mars-Schokoriegeln.» Nach seinem Auftritt flog Johnson zurück nach London. Dort wartet viel Arbeit auf ihn.
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