Boxen, treten und ein Schlag in die Leistengegend
Die Vergewaltigung einer 23-jährigen Studentin in Delhi hat viele junge Frauen in Indien aufgerüttelt. Die Nachfrage nach Selbstverteidigungskursen und Pfeffersprays steigt.

Nach der brutalen Gruppenvergewaltigung einer jungen Inderin sind viele Frauen in dem Land mehr denn je um ihre Sicherheit besorgt. Doch nicht nur der Ruf nach mehr Vorkehrungen durch den Staat wird lauter. Immer mehr verängstigte Frauen ergreifen selbst die Initiative - und melden sich zu Selbstverteidigungskursen an.
Die Hauptstadt Delhi, wo sich das grausame Verbrechen vor rund drei Wochen zutrug, gilt vielen Indern ohnehin als «Hauptstadt der Vergewaltigungen». Im Jahr 2011 wurden dort mehr als doppelt so viele Sexualdelikte gezählt wie etwa in der Wirtschaftsmetropole Mumbai. Viele Frauen sind in Delhi niemals ohne Pfefferspray unterwegs und selbst tagsüber auf der Hut.
«Selbstschutz hat Vorrang»
Das schockierende Ereignis vom 16. Dezember schreckte die Einwohnerinnen nun zusätzlich auf. Eine 23-jährige Studentin wurde bei der Rückkehr von einem Kinobesuch mit ihrem Freund in einem Bus von sechs Männern vergewaltigt, mit einer Eisenstange traktiert und schliesslich aus dem fahrenden Bus geworfen. Sie wurde so schwer verletzt, dass sie zwölf Tage später starb.
«Die Nachfrage nach Selbstverteidigungs- und Selbstschutzkursen steigt», sagt Anuj Sharma, der diese in seinem Sportstudio im Süden der Stadt anbietet, der Nachrichtenagentur AFP. Er bestätigt damit, was auch viele seiner Kollegen derzeit berichten. Nach der brutalen Vergewaltigung sorgen sich immer mehr Frauen um ihre Sicherheit. «Selbstschutz hat für sie Vorrang», sagt Sharma.
Die 23-jährige Studentin Smriti Iyer, die sich von Sharma in Kampftechniken unterrichten lässt, berichtet, dass auch ihre Freundinnen zunehmend Interesse an entsprechenden Kursen zeigten. In Sharmas Fitnessraum trainieren sie und andere Frauen unter anderem an Sandsäcken, machen Tret- und Boxübungen. Sie lernen, wie sie einen Angreifer abschütteln und ihn in der Leistengegend treffen können.
«Ich glaube, dass Frauen immer gewusst haben, dass sie auf sich aufpassen müssen, aber dieser Vorfall hat viele in meinem Alter aufgerüttelt», sagt Iyer. Das bestätigen auch Ladenbesitzer, die eine steigende Nachfrage etwa nach Pfefferspray und Alarmsystemen verzeichnen. Eine Zeitung berichtete, auch die Zahl der von Frauen gestellten Anträge auf Waffenscheine nehme zu.
Wachleute begleiten Arbeiterinnen
Ashima Sagar, 22-jährige Mitarbeiterin eines Geschäfts im Zentrum von Delhi, erzählt, ihre Mutter mache sich inzwischen grosse Sorgen, wenn sie sich am Abend auf dem Nachhauseweg von der Arbeit mit der U-Bahn verspäte. «Ich verlasse meinen Arbeitsplatz abends gegen neun Uhr, und wenn ich auch nur zehn Minuten zu spät bin, ist meine Mutter besorgt und ruft mich an», sagt Sagar.
Manche Firmen in der Region begannen inzwischen damit, Schichtarbeiterinnen auf ihrem Weg durch die Nacht Wachleute an die Seite zu stellen. «Nach dem Vorfall in Delhi stellen wir sicher, dass immer mindestens ein Sicherheitsbeamter unsere Nachtfahrten begleitet», sagt etwa Anurag Mathur, Mitarbeiter der Personalabteilung eines Unternehmens in der indischen Hauptstadt.
Eine am Freitag veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass bereits zahlreiche Frauen ihre Arbeitszeiten reduzierten oder vollständig kündigten. Aktivisten kritisieren, dass der Staat zu wenig unternehme, um Frauen zu schützen. «Was wir wirklich brauchen, ist ein System, das uns schützt», sagt Ranjana Kumari vom Zentrum für Sozialforschung in Delhi.
Ein in Indien wie auch in vielen anderen Ländern der Welt weit verbreitetes Problem dürfte jedoch auch dadurch nicht gelöst werden. Laut der offiziellen Statistik ereignen sich nämlich etwa 95 Prozent der Vergewaltigungen innerhalb von Familien oder im Freundes- und Bekanntenkreis. Hier dürften tatsächlich Fähigkeiten zur Selbstverteidigung den Frauen den grössten Nutzen bringen.
AFP/kpn
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