
Weil die Gefängnisse in England übervoll sind, werden derzeit ausländische Insassen entlassen. Unter ihnen auch Häftlingsnummer A2923EV, bürgerlicher Name: Boris Becker. Es war quasi ein überraschendes Break des ehemaligen Wimbledon-Siegers im Kampf gegen das Justizsystem. Statt drei Jahren musste er nur acht Monate wegen Insolvenzvergehen einsitzen.
Kaum in Freiheit, gab er dem deutschen Fernsehsender Sat 1 ein dreistündiges Interview, wie es denn so war im Knast. Es gebe da ein irrsinniges Gemeinschaftsgefühl: «Das hat so ein bisschen was, wie ich gehört habe, wenn man zusammen im Krieg war. Zusammen wirklich ums Überleben gekämpft hat, das schweisst zusammen.» Drei schwere Jungs hätten ihm zum Geburtstag einen Schoko-Kuchen gebacken.
Solche Sätze stiess Becker unter Tränen hervor. Schon wollte man weiterzappen, als der 55-Jährige die Bombe platzen liess: Er habe in seiner Zelle die Lehre des Stoizismus studiert. Denn: «In der Zelle wirst du wahnsinnig, wenn du den ganzen Tag drin bist. Du gehst die Wände hoch, und die sind nicht besonders hoch.»

Das Römische Reich, erklärte Becker, sei mal so gross gewesen «wie Amerika und China zusammen», der Stoiker und Kaiser Marcus Aurelius «hat das geleitet». Auch ihm habe diese Philosophierichtung geholfen, das Unausweichliche zu akzeptieren und sich selbst deeskalierende Fragen zu stellen. Umgehend gab Becker eine Anwendung des theoretischen Überbaus zum Besten: «Macht es Sinn, sich selbst zu verletzen, macht es Sinn, die Zelle zu zertrümmern?»
Bum Bum Boris ist jetzt also Stoiker, als weiteren Beweis hatte er zum Interview einen Hefter mitgebracht, der sich als Lehrbuch aus dem Stoizismus-Workshop entpuppte. Diesen hatte er während seiner Haftzeit zuerst selber besucht – und dann grad die Leitung des Kurses übernommen.
Sashimi nach Freilassung
Der Stoizismus ist ja auch eine rühmliche Sache: dass das Glück allein in der vernünftigen Ausübung von Tugenden liegt. Alles andere – Emotionen, Geld, gutes Essen, Sex, das Gerede der Leute – ist nebensächlich. Bloss konnte sich Becker, weil er frühzeitig entlassen wurde, offenbar nicht die ganze Lehre des Stoizismus aneignen. Sonst wäre er nach der Entlassung natürlich nicht gleich «Sashimi essen gegangen» und hätte selbstverständlich auch keine halbe Million Euro Interview-Honorar gefordert.
Und da war auch noch die Sache mit dem Duschen. Aus Filmen habe er gewusst, dass man in der Gemeinschaftsdusche nicht die Seife fallen lassen sollte, ohne ein unfreiwilliges erotisches Rencontre zu riskieren. Vor solchen hatte er offenbar trotz Stoizismus Angst gehabt. Es gab dann aber, sagte Becker, Duschkabinen.
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Glosse zum Becker-Interview – Bum Bum Boris ist jetzt Stoiker
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, hielt der ehemalige Tennis-Crack für eine halbe Million Euro eine Stoizismus-Lehrstunde ab.