«Danke dafür, dass Sie unser Land in den Abgrund führen»
Die EU hat im Schuldenstreit mit Italien den Weg für ein Strafverfahren geebnet. Der Innenminister kontert und erntet Kritik. Und auch Berlusconi meldet sich.

Im Streit um Italiens Haushaltspläne hat die EU-Kommission den Weg für ein Defizitverfahren mit möglichen Sanktionen geebnet. Italien erfülle die EU-Anforderungen für einen Schuldenabbau mit seinem Budget für 2019 nicht, erklärte die Behörde am Mittwoch in Brüssel. Die Kommission komme daher zu dem Schluss, dass die Eröffnung eines Verfahrens wegen eines übermässigen Defizits «gerechtfertigt» sei. Es könnte zu Bussgeldern in Milliardenhöhe oder der Streichung von EU-Hilfen führen.
«Mit dem, was die italienische Regierung auf den Tisch gelegt hat, sehen wir die Gefahr, dass das Land in die Instabilität schlafwandelt», sagte der für den Euro zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis. Alle Euro-Länder müssten «nach denselben Regeln» spielen. Sie seien dazu da, die Währungsunion und ihre Mitglieder zu schützen.
Ein von der EU-Kommission am Mittwoch veröffentlichter Bericht ist ein erster Schritt vor einem Defizitverfahren. Nach Konsultationen mit den Mitgliedstaaten der Eurozone könnte das Verfahren nach Einschätzung von EU-Vertretern im Dezember oder Januar auf den Weg gebracht werden. Über mögliche Sanktionen würde – wenn überhaupt – erst deutlich später entschieden.
Salvini verlangt Respekt für Italiener
Der italienische Innenminister Matteo Salvini hat von der EU Respekt für das «italienische Volk» gefordert . Trotz der Empfehlung der EU-Kommission, ein Defizitverfahren einzuleiten, meinte der Vizepremier, Italien werde auf seinem Budgetentwurf beharren.
«Wir Italiener zahlen jährlich fünf Milliarden Euro mehr als wir von Brüssel zurückerhalten. Wir verteidigen unser Recht auf Beschäftigung, Gesundheit, Sicherheit und weniger Steuern. Wir machen weiter», schrieb der Chef der rechten Lega auf Facebook.
Auch die mit der Lega regierende Fünf-Sterne-Bewegung will im Streit mit der EU-Kommission nicht einlenken. «Wir begreifen nicht, warum die EU ein Strafverfahren gegen Italien einleitet, das im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedsstaaten stets die europäischen Regeln berücksichtigt hat. Wir tun es auch mit diesem Budgetentwurf», so der Fünf Sterne-Fraktionschef in der Abgeordnetenkammer, Francesco D'Uva.
Die Italiener sollten sich also keine Sorgen machen, denn Italien werde so weiter machen. «Wir setzen das Regierungsprogramm um, für das uns die Italiener gewählt haben», sagte D'Uva weiter.
Kritik und Sorge
Die Opposition geht unterdessen auf die Barrikaden. «Erstmals in der Geschichte Europas leitet Brüssel ein Strafverfahren gegen ein EU-Mitglied ein. Danke Di Maio, danke Salvini dafür, dass Sie unser Land in den Abgrund führen», so der Spitzenpolitiker der oppositionellen Forza Italia, Renato Brunetta.
Auch EU-Parlamentschef Antonio Tajani erklärte sich zutiefst besorgt. «Italien ist isoliert. Die Gefahr ist, dass Italien neben der Zahlung einer Strafe von neun Milliarden Euro den Zugang zu bis zu 15 Milliarden Euro an regionalen EU-Geldern verliert. Das würde ganz Italien und vor allem den Süden stark benachteiligen», meinte Tajani.
Italien gibt nicht nach
Die EU-Kommission hatte im Oktober im Falle Italiens erstmals überhaupt den Haushaltsentwurf eines Mitgliedsstaates zurückgewiesen. Sie kritisierte dabei, dass die geplante Neuverschuldung mit 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung 2019 drei Mal so hoch liegt wie von der Vorgängerregierung mit Brüssel vereinbart. Zudem verwies Brüssel auf die ohnehin hohe Gesamtverschuldung von 131 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Die italienische Regierung weigerte sich aber, Korrekturen an dem Budget vorzunehmen. Sie forderte von Brüssel stattdessen, «aussergewöhnliche Ereignisse» wie den Einsturz einer Autobahnbrücke im August in Genua und die Schäden durch eine Serie verheerender Unwetter zu berücksichtigen.
Die seit Juni amtierende italienische Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega-Partei will den Sparkurs beenden. Sie will mit ihrem Haushaltsentwurf unter anderem die Einführung eines Grundeinkommens und die Möglichkeit eines früheren Renteneintritts finanzieren.
Berlusconi rechnet mit baldigem Regierungsende
Silvio Berlusconi, Italiens Ex-Premierminister und Chef der oppositionellen Forza Italia, ist der Ansicht, dass die Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung nicht lang halten wird. «Diese Mehrheit ist nicht in der Lage, Italien weiterzuregieren», betonte Berlusconi.
Wegen des Streits zwischen Rom und Brüssel seien die Ersparnisse der Italiener und die Zukunft italienischer Unternehmen gefährdet, so Berlusconi. Zudem drohe Italien wegen des Misstrauens internationaler Investoren eine Kapitalflucht, warnte er.
«Wer Europa die Schuld dieser Situation gibt, gleicht einer Person, die dem Arzt die Schuld für eine Krankheit zuschreibt», so Berlusconi. Er appellierte an Lega-Chef Matteo Salvini, die Partnerschaft mit der Fünf-Sterne-Bewegung um Vizepremier Luigi Di Maio zu brechen, um eine neue Koalition aus Mitte-Rechts-Parteien aufzubauen, die Italien eine neue Perspektive sichern könne.
AFP/amc
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