Sommerserie: Darf man das? (5)Darf man sichtbar schwitzen?
Hygiene ist ein Schlagwort des Jahres. Wie steht es also mit dem Stoffnastuch? Und der nassen Badehose im Büro? Die Sittenpolizei ist sich uneins.

Darf man noch Stoffnastücher brauchen?
mjc: Igitt! Spätestens seit Corona ist die Antwort eindeutig: Nein.
mgo: Der Gipfel der Noblesse. Leider auch so veraltet wie dieses Wort. Es spricht absolut gar nichts gegen Stoffnastücher – ausser, dass ich selber (noch) keines besitze. Sogar einen grossen ökologischen Pluspunkt hätten die waschbaren Taschentücher. Vermutung: Ab dem Winter 2021 schnäuzen die Fridays-for-Future-Kids in Nastücher aus Baumwolle (100% biologisch abbaubar).
bol: Aber selbstverständlich! Ich habe immer ein Stoffnastuch im Hosensack. Zugegeben, wenn ich richtig erkältet bin, nehme ich lieber ein Papiernastuch, da es nach einmal schnäuzen sowieso schon voller Rotz ist. Aber ein Stoffnastuch im Hosensack ist praktisch, wenn einem nach dem Velofahren ganz wenig die Nase läuft oder wenn dem Kind schon wieder Schokolade am Mund klebt. Und natürlich wechsle ich es jeden Tag. So viel Hygiene muss sein.
Darf man die nasse Badehose im Büro aufhängen?
mjc: Mir ist eine fremde Badehose in nächster Nähe zu intim. Wenn der Kollege über Mittag in die Aare springt, dann soll er die Badehose doch bitte dezent unter seinem Schreibtisch aufhängen – oder in der Männertoilette über die Heizung legen.
mgo: Niemals! Praktisch wäre es auf alle Fälle, überschreitet aber eine Grenze. Lieber die Mittagspause um zehn Minuten verlängern, die Badehose in der Sonne trocknen lassen und dann ins Badetuch einwickeln. Aufgehängt wird die Schwimmhose dann zu Hause.
bol: Ja. Voraussetzung ist, erstens, dass sie nicht mehr tropft. Zweitens, dass sie an einem dezenten Ort aufgehängt wird. Und drittens, dass sie nicht mit der Innenseite gegen aussen präsentiert wird.
Darf man sichtbar schwitzen?
mjc: Verbieten kann man Schweiss ja kaum. Am ehesten stört er im Büro. Natürlich gibt es ein paar Tricks (Schweisspads unter den Achseln, Botox, um Schweissdrüsen zu lähmen), aber letzten Endes handelt es sich um eine Naturgewalt. Sie erinnert uns daran, dass wir alle nur menschlich sind. Und das ist gut so.
mgo: Niemand ist dem eigenen Schweiss so nah wie der Tröpfelnde selber. Also: Wer viel schwitzt, weiss davon. Und ist höflichst gebeten, dagegen etwas zu unternehmen. Trotzdem wäre ein bisschen Mitgefühl gegenüber dem humanen Wasserfall mehr als gerecht. Falls dem Appell an die CEOs dieses Landes nicht entsprochen wird – Klimaanlagen gehören zur Grundausstattung in einem Grossraumbüro – bleibt nur noch der Tipp: Ein Deo ist stärker als jedes Eau de Schweiss.
bol: Benutzt Deo, tragt zwei T-Shirts übereinander, nehmt keine synthetischen Stoffe. Es ist gar nicht so schwer, sichtbaren Schweiss zu vermeiden. Man muss nur wollen und sich etwas damit auseinandersetzen.
Mirjam Comtesse ist Historikerin und arbeitet als Redaktorin im Ressort Bern. Ihre Schwerpunkte sind Bildungspolitik und Religion.
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