Das Programm der Bad Bonn KilbiDas Festival, das Düdingen zum Schlottern bringen wird
Welche Verwerfungen passieren gerade im Pop-Untergrund? Das Programm der Bad Bonn Kilbi liefert dafür jedes Jahr neue Anhaltspunkte. Wir haben die Perlen herausgepickt.

Es ist so etwas wie die Schatztruhe der Schweizer Musikfestivals: Die Bad Bonn Kilbi in Düdingen ist das Open Air, das nicht die Trends auf die Bühne bringt, sondern die Trends setzt. Hier kommt auf die Affiche, was im Untergrund brodelt, und so ergibt es auch dann noch Sinn, sich in das Programm zu vertiefen, wenn das Festival bereits ausverkauft ist, was meist wenige Minuten nach Bekanntgabe des Line-ups der Fall ist. Man kann diese Übung als eine Art Update des eigenen Musikhorizonts verstehen.
Grosse Namen – wie letztes Jahr die Idles oder ehedem die Queens of the Stone Age – finden sich im Programm 2023 keine. Es wimmelt von Acts, bei denen gar die Suchmaschine von Spotify eine Weile braucht, um ein Resultat auszuspucken, wenn es denn überhaupt eines gibt.
Also rein ins musikalische Dickicht, wo immerhin der Name Surprise Chef ein bisschen Halt bietet. Das ist eine Band aus Australien, die auf schlurfige Breakbeats und Vintage-Charme setzt und wie die Tonspur zu einem erotisch angehauchten Kunstkrimi aus den Seventies klingt. Oder da ist die Band The Comet Is Coming um den punkig-gestimmten Saxofonisten Shabaka Hutchings, der schon fast zu den Evergreens des Festivals zu zählen ist.
Allein von den Streamingzahlen her ist die amerikanische Rapperin 070 Shake zu den Headlinern des Festivals zu zählen. Diese reichen weit in den dreistelligen Millionenbereich, was denn auch nicht ganz ohne Konzessionen an den momentanen Massengeschmack einhergeht. 070 Shake macht überbelichteten Hip-Hop-Pop mit hübsch produzierten Beats und zutraulichen Autotune-Melodien.
Ebenfalls aus den USA stammt die Rapperin Lust Sick Puppy, die im Gegensatz zu 070 Shake jedoch mit mächtig subversivem Zunder anrichtet. Das ist Tekkno mit Sprechgesang und ganz vielen Zornesfalten.
Unbedingt zu entdecken gilt es die kanadische Sängerin Michelle Gurevich, die in ihrer Jugend mittels dramatischer Sowjetmusik aus den Siebzigerjahren sozialisiert wurde und nun rauchige Balladen für eine Welt im Überlebenskampf singt und raunt.
Zu den Perlen des Festivals gehört auch der brasilianische Sänger Sessa, dessen psychedelisch irritierten Lieder sich an den brasilianischen Hippie-Sound der Tropicalismo-Bewegung anlehnen. Ebenfalls aus Südamerika – nämlich aus Kolumbien – stammt die Band Chupame El Dedo. Sie betört und verwirrt mit elektronischer Cumbia, der der Teufel im Nacken zu sitzen scheint.
Nichts mit dem Teufel am Hut hat Milla Pluton aus der Romandie. Sie macht eine Art Indie-YéYé-Sound für den abgedunkelten Chanson-Keller. Wohingegen die australischen Haai Tanz-Pop mit Rückenwind und Gegenlicht verfertigen und dafür von der BBC mit dem Essential-Mix-Award geadelt wurden.
Sehr charmant klingt auch die musikalische Idee von Lael Neale. Mit einem verstaubten Rhythmuscomputer und einer Heimorgel produziert sie wunderhübsche Popminiaturen für die nachdenklichen Momente des Daseins.
Unnötig zu erwähnen, dass die Freunde des Eklektischen und des musikalisch kaum Erprobten auch in diesem Jahr auf ihre Rechnung kommen. Beispiele gefällig? Elektronischen Free Jazz gibts von der US-Amerikanerin Jana Rush, während Ocen James & Ryan Treanor ugandische Kunstmusik mit amoklaufender Elektronik verdrahten. Stella aus Griechenland präsentieren leicht verdrogte Gitarrenmusik mit Bauchtanzeinlagen, und die irische Band Mhaol kommt mit einer Indie-Rock-Musik um die Ecke, die hinkt und bellt wie ein dreibeiniger Hund.
Wie hiess es früher so schön in der Werbung: Es gibt viel zu tun, packen wirs an!
Die Bad Bonn Kilbi in Düdingen dauert vom 1. bis 3. Juni.
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