Das Gesellschaftsspiel stirbt nicht aus
Babys spielen auf Tablets, junge Erwachsene zocken online: Hat digitales Spiel das analoge abgelöst? Nein, sagen Zahlen und Branchenkenner.

Die Meinung, Kinder und Jugendliche hätten keine Ahnung mehr von Gesellschaftsspielen und Bauklötzli, ist weit verbreitet: Es kursieren Geschichten von Kleinkindern, die Bilderbücher nicht mehr durchblättern, sondern mit den Fingern über die Seiten wischen wie über einen Bildschirm.
Oder Stadtlegenden tauchen auf wie diejenige des Kindes im Zoo, das versucht, die Fische im Aquarium heranzuzoomen. Aber spielt man 2017 wirklich digital?
Gesunde Branche
«Auch, aber nicht nur», antwortet Anne Maria Schneider, Messeleiterin der Suisse Toy. Sie muss es wissen: Als «grösstes Spielzimmer der Schweiz» wird die Suisse Toy beworben. Sie startet heute auf dem Bernexpo-Gelände und kann unter anderem «die grösste LAN-Party der Schweiz» anpreisen, Testspiele des neuen Super-Mario-Spiels und ein Indoor-Drohnen-Rennen.
Gemäss Schneider ist der Trend zum digitalen Spiel nicht mehr wegzudenken – die Suisse Toy ist inzwischen in die Kategorien «Classic» und «Digital» geteilt –, doch: «Wir hatten wachsende Zahlen für Brettspiele und Puzzles im Jahr 2016.»
«Der Trend zum digitalen Spiel ist nicht mehr wegzudenken.»
Gleiche Sprache sprechen die Zahlen des Marktforschungsinstituts GFK: Sie zeigen einen gesunden Markt für traditionelles Spielzeug. Mit 460 Millionen Franken machte die Branche 2016 gleich viel Umsatz wie im Jahr zuvor. Und anders als man denken könnte, hat der Verkauf von Spielen und Puzzles sogar um 10,8 Prozent zugenommen. Daneben ist der Umsatz für Jugendelektronik um 7,3 Prozent gestiegen.
Keine direkte Konkurrenz
Matthias Flückiger ist Mitarbeiter des Drachenäscht. Das Geschäft gilt als Berner Mekka für Spielebegeisterte und hat sich weniger auf Spielzeug, sondern «hauptsächlich auf Gesellschaftsspiele, Spielereien und Drachen» spezialisiert, wie Flückiger erklärt. Ob sich die Digitalisierung im Umsatz bemerkbar mache, sei schwer zu sagen. «Bei uns läuft es tendenziell immer besser.» Aber für Rückschlüsse auf die Branche sei das Drachenäscht wohl zu klein.
«Auf jeden Fall lebt das Gesellschaftsspiel noch», ist sich Flückiger sicher – die interessante Frage sei vielmehr, warum das so ist. «Gesellschaftsspiele bieten etwas anderes als Games – die beiden Kategorien stehen nicht in direkter Konkurrenz», meint Flückiger.
«Gesellschaftsspiele und Games stehen nicht in direkter Konkurrenz.»
Analoge Spiele forderten mehr Fantasie: Meistens sind sie abstrakter als die ausgeklügelten und grafisch immer komplexeren Welten der Computerspiele. Als grossen Reiz des Gesellschaftsspiels erachtet Flückiger ausserdem die direkte Interaktion der Mitspieler: «Man kann dem Gegenüber zusehen, wie es sich einen Spielzug überlegt oder sich ärgert – ich glaube, das schätzen viele.»
Vom Schirm aufs Brett
Computer- und Gesellschaftsspiele beeinflussen sich auch gegenseitig, glaubt Flückiger: «Immer wieder werden Computerspiele als Gesellschaftsspiele adaptiert.» Sprich: Was zuerst am Schirm gespielt wurde, kommt aufs Brett. Gleichzeitig gebe es inzwischen – ähnlich dem E-Book – zahlreiche Gesellschaftsspiele in digitaler Form.
«Das ist vor allem beim Reisen praktisch», erklärt Flückiger. So würden beim Zugfahren keine Spielfiguren übers Brett rutschen, und man brauche keine Schachtel mitzuschleppen – sondern nur ein Tablet.
Die Suisse Toy läuft von heute bis zum Sonntag, 15. Oktober, auf dem Messegelände in Wankdorf. Infos unter: www.suissetoy.ch.
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