Das Versteckspiel der EZB
Die Europäische Zentralbank ist die grösste Gläubigerin Griechenlands. Warum ziert sie sich beim Schuldenerlass?

Ob Griechenland überhaupt noch zu retten ist, bleibt umstritten. Sicher ist, dass es auf jeden Fall ohne «Haircut», einem massiven Schuldenerlass, nicht gehen wird. Deshalb feilschen nun Finanzfachleute und Banker darum, wie viele Haare die privaten Gläubiger, in erster Linie europäische Banken, lassen müssen. Der grösste Gläubiger Griechenlands hingegen, die EZB, soll ungeschoren davonkommen.
Die Notenbanken sind die Stützen des internationalen Finanzsystems. Nicht die Gewinnmaximierung ist ihre nobelste Pflicht. Sie müssen dafür sorgen, dass Währungen und System stabil bleiben. Um diese Aufgabe zu erfüllen, haben sie ein einzigartiges Privileg: Sie dürfen ihr eigenes Geld drucken. Notenbanken können daher streng genommen gar nie bankrott gehen. Sollten alle Dämme brechen, werfen sie die Notenpresse an. Das gilt auch für die EZB. Deshalb könnte gerade sie die Schulden Griechenlands erlassen, ohne dass sie einen Kollaps zu befürchten hätte. Warum tut sie es nicht?
Eine negative Bilanz der EZB wäre undenkbar
Geld ist letztlich Vertrauenssache, und ein Geldsystem funktioniert nur dann, wenn die obersten Währungshüter über jeden Verdacht erhaben sind. An die Notenbanken und ihre Vertreter werden deshalb sehr hohe Anforderungen gestellt, wie Philipp Hildebrand gerade schmerzlich erlebt hat. Gerade die EZB ist im preussischen Geist nach dem Vorbild der geradezu vergötterten deutschen Bundesbank konzipiert worden. Allein die Vorstellung, dass sie eine negative Bilanz ausweisen könnte, ist undenkbar.
Um ihre Kernaufgabe zu erfüllen, muss die mystisch verklärte EZB zu Tricks und Versteckspielen greifen. So hat sie vor Weihnachten die Banken mit billigem Geld geflutet, damit diese Staatsanleihen kaufen können. Das sollte verhindern, dass die Zinsen für Staatsanleihen der Defizitsünder explodieren.
Den Schein wahren gegenüber dem Laienpublikum
Auch bei der Sanierung von Griechenland lässt sich die EZB auf ein Versteckspiel ein. Sie kann an einem Schuldenschnitt gar kein Interesse haben, denn sie ist als grösste Gläubigerin der Griechen im Besitz von griechischen Staatsanleihen, die sie aufgrund des hohen Risikos zu einem Discountpreis gekauft hat. Diese werden nun gegen neue eingetauscht. Der dabei entstehende Gewinn kommt dann Griechenland zugute. Im Detail ist das schrecklich kompliziert, und nur noch ein paar ganz wenige Spezialisten haben den Durchblick, wenn überhaupt. Genau dies ist letztlich der Zweck der Übung. Gegenüber dem Laienpublikum wird auf diese Weise der Schein gewahrt, und die teutonischen Gralshüter sind ruhiggestellt.
Nur ist leider das Problem nicht gelöst, wie Gillian Tett, die Finanzmarktspezialistin der «Financial Times», feststellt. «Wenn man die Verluste verheimlicht, bringt man sie nicht zum Verschwinden.»
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