Der ganz «normale» Monsieur le Président
Lange galt er als blasser Politiker, der wegen seiner Figur als «Pudding» bezeichnet wurde. Doch im Wahlkampf hat sich François Hollande zum Staatsmann gemausert. Wie er als Präsident sein will, weiss er bereits.
Der Jubel bei den französischen Sozialisten kennt keine Grenzen: Erstmals seit 24 Jahren wurde ein Sozialist zum Präsidenten Frankreichs gewählt, erstmals seit der Ära von François Mitterrand, der von 1981 bis 1995 an der Spitze des Landes stand. Geschafft hat dies François Hollande, ein Mann, der lange als Provinzpolitiker und Parteisoldat belächelt wurde. Der 57-Jährige holte offenbar sogar ein besseres Ergebnis als sein Vorbild Mitterrand: 52 bis 53 Prozent der Franzosen stimmten für ihn, Mitterrand war bei seiner ersten Wahl auf 51,8 Prozent gekommen.
Schon lange vor den offiziellen Hochrechnungen der Institute um 20 Uhr feierten die Anhänger der Sozialisten in den Strassen von Paris, als die ersten Ergebnisse bekannt wurden. «Ich bin 24 Jahre alt, ich habe nur die Rechte an der Macht gekannt, ich bin sehr ergriffen», jubelte ein junger Mann. Fahnen und lautes Autohupen begleiteten die Begeisterung vor der Parteizentrale an der Rue de Solférino. Parteisprecher Benoît Hamon verkündete stolz, dass nun die «17-jährige Herrschaft der Rechten im Elysée-Palast zu Ende geht».
Der Anti-Sarkozy
Dass mit Hollande ein neuer Stil im Präsidentenpalast einziehen wird, das machte der langjährige Parteichef der Sozialisten am Sonntag bereits deutlich. In der beschaulichen Provinzstadt Tulle verbrachte er den Tag, schüttelte Hände, ging dort wählen. In Begleitung seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler wollte er vor der Kathedrale von Tulle am Abend seine ersten Worte an die Franzosen richten. Erst später am Abend wollte der künftige Präsident zusammen mit seinen Anhängern in Paris an der Bastille feiern, dort, wo auch Mitterrand am 10. Mai 1981 seinen historischen Wahlsieg gefeiert hatte.
Welten liegen zwischen den Auftritten Hollandes, der ausdrücklich auch als Präsident «normal» bleiben will, und den einstigen Siegesfeiern von Nicolas Sarkozy. Der unterlegene konservative Präsident hatte seine Wahl zum Staatschef 2007 im Nobelrestaurant Fouquet's zelebriert und gleich danach Ferien auf der Luxusjacht eines Millionärsfreundes gemacht. Dieser Hang zu den Schönen und Reichen wurde Sarkozy am Ende ebenso zum Verhängnis wie seine magere Wirtschaftsbilanz mit hoher Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung.
Hollandes andere Seite
Für die Sozialisten (PS) war der Weg zum Wahlsieg steinig: Erst stolperte der grosse Hoffnungsträger Dominique Strauss-Kahn im vergangenen Jahr über seine Sexaffären. Danach musste sich das sozialistische Lager neu sortieren, denn Parteigrössen wie PS-Chefin Martine Aubry hatten ursprünglich zugunsten Strauss-Kahns auf eine Kandidatur verzichten wollen.
Schliesslich gewann Hollande die Vorwahlen der Sozialisten, obwohl seine eigenen Parteifreunde ihn im internen Wahlkampf als «schlaff» attackiert hatten. Seine Ex-Lebensgefährtin Ségolène Royal stichelte: «Können die Franzosen eine Sache nennen, die er in 30 Jahren politischen Lebens geschafft hat?»
Doch der wegen seines zurückhaltenden Auftretens oft unterschätzte Hollande schaffte es nicht nur, die Flügel seiner Partei hinter sich zu scharen, sondern auch seinen klaren Vorsprung gegenüber Präsident Nicolas Sarkozy monatelang zu verteidigen. Ausreisser oder Schnitzer gab es im Wahlkampf der Sozialisten kaum, sicher auch dank des für seine Vorsicht bekannten Hollande. Dennoch, er vermochte zu zeigen, dass er keineswegs harmlos ist. François Hollande, der als nüchtern, vorsichtig und manchen sogar als zu weich galt, hatte beim Fernsehduell kurz vor der Stichwahl in Frankreich eine ganz andere Seite gezeigt. Angriffslustig und schlagfertig präsentierte sich der Sozialist in der direkten Konfrontation mit Präsident Nicolas Sarkozy – und staatsmännisch.
Empörtes Berlin
Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich im Wahlkampf mit ihrer Unterstützung für Sarkozy weit aus dem Fenster gelehnt hatte, wollte Hollande schon sehr bald telefonieren. Markige Wahlkampfsätze des Sozialisten wie «es ist nicht Deutschland, das für ganz Europa entscheiden wird» dürften bald Pragmatismus weichen. Und auch in Berlin, wo Hollandes Europakurs anfangs auf Empörung stiess, hatten Merkel und ihre Mitarbeiter lange genug Zeit, sich auf den Wechsel in Paris einzustellen. Beide werden sich voraussichtlich schon in wenigen Tagen persönlich kennen lernen: Hollandes erste Auslandsreise wird nach Berlin führen.
AFP/kpn
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