Der gläserne Nationalrat
Balthasar Glättli hat aus seinen Handydaten sein Leben nachzeichnen und das Resultat ins Internet stellen lassen. Er kämpft gegen das neue Überwachungsgesetz des Bundes.
Telecomunternehmen müssen heute sechs Monate lang speichern, wo ein Kunde mit seinem Handy war, mit wem er telefoniert oder E-Mail und SMS ausgetauscht hat. Der Bundesrat will diese Speicherdauer auf zwölf Monate ausdehnen. Gegen diese Vorratsdatenspeicherung wehren sich unter anderem die Grünen.
Welch detaillierte Informationen sich aus diesen sogenannten Randdaten herauslesen lassen, wollte der grüne Nationalrat Balthasar Glättli (ZH) deshalb am Beispiel seiner eigenen Person zeigen. Er stellte seine Handydaten von Januar bis Juli 2013 der «Schweiz am Sonntag» und dem Newsportal «Watson» zur Analyse zur Verfügung.
Auf einer interaktiven Grafik, realisiert von der deutschen Firma Opendatacity, lässt sich für jeden Tag sehen, ob Glättli sich in Bern oder Zürich befand, wann er seiner Freundin ein SMS schrieb und mit welchen Journalisten oder Politikern er in Kontakt stand. Ergänzt werden die Angaben mit öffentlich zugänglichen Daten wie Tweets oder Facebook-Einträgen.
Besuch in geheimer Anlage aufgezeichnet
Daraus lässt sich detailliert herauslesen, was Glättli wann getan hat: Die «Schweiz am Sonntag» vermutet aufgrund der Daten beispielsweise, dass Glättli Anfang Juli mit der Sicherheitspolitischen Kommission in Andermatt an einem geheimen Militärstandort gewesen sein dürfte.
Er habe seine Daten offengelegt, «um den Menschen vor Augen zu führen, wie exakt die Position von uns allen ständig überwacht und gespeichert wird», sagt Glättli. Solche Randdaten seien mächtig, selbst wenn keine Gesprächsinhalte abgehört würden. Vorbild für die Auswertung war unter anderem ein deutscher Politiker, der seine Daten auf gleiche Weise analysieren liess.
Der Bund hört mit
Glättlis Aktion richtet sich konkret gegen das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, kurz Büpf. Darin wird geregelt, mit welchen Mitteln die Strafverfolger die Kommunikation von Verdächtigen überwachen dürfen. Der Bundesrat will den Erlass den modernen Kommunikationstechnologien anpassen.
Nebst der Datenspeicherung auf Vorrat während 12 Monaten gehört dazu auch die explizite Möglichkeit, Software einzusetzen, mit der sich Computer ausspähen lassen («Staatstrojaner»), etwa um Skype-Anrufe mitzuhören. Der Ständerat hiess die vorgeschlagenen Verschärfungen grösstenteils gut; als Nächstes ist der Nationalrat an der Reihe.
Das Feld nicht den Kriminellen überlassen
Ein Dorn im Auge ist Gegnern, dass ohne Verdacht Daten gesammelt werden. «Es ist nicht verhältnismässig, die ganze Bevölkerung ohne Verdacht zu überwachen, um drei, vier Verbrechen aufzudecken», sagte Glättli. Nach dieser Logik müsste man auch Mikrofone in sämtlichen Wohnungen platzieren, weil viele Verbrechen dort passierten.
Befürworter und die Justizbehörden argumentieren, die moderne Technik dürfe nicht den Kriminellen überlassen werden. Die Behörden dürfen ausserdem nicht beliebig auf die Daten zugreifen, sondern nur im Rahmen eines Strafverfahrens, für dessen Eröffnung ein Anfangsverdacht notwendig ist.
SDA/ldc
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