Der Orient im Berner Keller
In einer stimmigen Doppelausstellung zeigt die Berner Galerie da Mihi Bilder der libanesischen Malerin Etel Adnan und Teppiche, welche die Berner Künstlerin Salomé Bäumlin in Marokko ausführen lässt. Ein Fest für alle Sinne.

Dick, schwer, grossformatig hängen sie in den Gewölben der Kellergalerie: Teppiche mit abstrakten Darstellungen von Licht, Regen oder Schnee, meist in Schwarzweiss. Die Altstadtmauern, vor Jahrhunderten aus grossen Brocken zusammengefügt, sind so massiv, dass sie als Träger dieser Teppiche auch optisch standhalten können.
Und mehr noch: Sie lassen die textilen Werke vergleichsweise leicht wirken, wie Bilder, die sie ja auch sind. «Schon immer habe ich mir gewünscht, einmal solche Räume bespielen zu können», schwärmt die Berner Künstlerin Salomé Bäumlin. Sie hat die Ausstellung in der aus mehreren Räumen bestehenden Galerie da Mihi gleich selber kuratiert. Für die 39-Jährige ist dieser Ort ideal für ihre «sehr physische» Kunst.
Kommt hinzu, dass die Tapisserien, die sie entwirft, von Berberfrauen im marokkanischen Atlas ausgeführt werden und das Archaische der Berner Kellergewölbe durchaus dem Charakter dortiger Behausungen entspricht. Dementsprechend hat Bäumlin zuhinderst in der Galerie einen nischenartigen Raum gestaltet: Im Halbdunkel zieht man die Schuhe aus, bevor man die traditionellen Webteppiche betritt, sich auf einen der niedrigen Hocker setzt und dem Video folgt, das sich mit Etel Adnan beschäftigt, der anderen Künstlerin, die in dieser Doppelausstellung zu sehen ist.
Gegensätze
Persönlich war Etel Adnan an der Vernissage nicht anwesend – auch letztes Jahr, als das Zentrum Paul Klee ihr eine grosse Schau ausrichtete, reiste die Libanesin nicht aus ihrer Wahlheimat Paris an. Mit ihren 94 Jahren blickt sie auf eine erfolgreiche Karriere als Malerin und Dichterin zurück, während die jüngere Kollegin eben erst richtig aufgebrochen ist, erste Erfolge feiert und zwischen ihrer helvetischen Heimat und Nordafrika pendelt. Und während Bäumlin nun in der Galerie da Mihi die beiden zentralen, weiss gekalkten Räume bespielt, finden sich im Eingangsbereich der Galerie, wo mit Wänden in Erdfarben ein Kabinett gestaltet wurde, die kleinformatigen Bilder Adnans.
Mit elementaren Formen und feinen Farbakkorden suggeriert diese Malerin Landschaften, in die man hineingehen möchte. «Paysage du feu» («Feuerlandschaft») heisst ein Bild von 2017, auf dem der mittlere Streifen gelb leuchtet. Ein Rapsfeld? Eine Sanddüne in der Wüste, die das Abendlicht reflektiert? Auf einem anderen Bild hängt die Sonne als dunkler Kreis über zwei Dreiecken.
Sonnenfinsternis über ägyptischen Pyramiden? Oder die Erde, von einem fernen, gebirgigen Planeten aus gesehen? «Für eine Weile noch wird die Erde ein Planet bleiben», steht an die Wand appliziert, ein Zitat aus Etel Adnans Buch «Gespräche mit meiner Seele». Die Gelassenheit und die Poesie ihrer Schriften prägen auch ihre Bildkompositionen.
Gemeinsamkeiten
«Für mich ist es eine sehr poetische Ausstellung geworden», resümierte Galeristin Barbara Marbot an der Vernissage. Und tatsächlich scheint – nebst dem engen Bezug zum arabischen Kulturraum – Poesie die beiden Künstlerinnen zu verbinden. Mit viel Sinn dafür hat Salomé Bäumlin in einem weiteren kleinen Nebenraum eine magische Installation geschaffen: An der Wand hängt ihr Teppich «Horizon» (2018), der ganz ohne horizontale Linie auskommt, in der Mitte des Raumes ist ein Häufchen grobkörniges Meersalz aufgeschüttet, und darüber, an der Decke, leuchtet ein Satz von Etel Adnan: «Wirklichkeit ist aus Nacht gemacht.» Fasziniert schnuppert eine Besucherin in die Luft. «Ich kann es riechen», sagt sie. Das Meer? «Nein, den Teppich. Hier drinnen rieche ich die Wolle.» So ist diese Ausstellung: ein Fest für alle Sinne.
Bis 15. Juni. Galerie da Mihi, Gerechtigkeitsgasse 40, Bern.Do 14–20, Fr 14–19, Sa 11–17 Uhr.
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