Der Prophet mit Clownnase
Die französische Satirezeitung «Charlie Hebdo» wurde Opfer eines Brandanschlags &endash wohl wegen ihrer Nummer über den Islamismus.
Von Oliver Meiler, Cannes Über Humor lässt sich bekanntlich streiten, am besten mit Ironie. Es war offenbar ein Molotowcocktail, der die Redaktionsräume von «Charlie Hebdo» im 20. Arrondissement von Paris zerstört hat. Wer den Brandsatz kurz nach Mitternacht in die Büros warf, soll nun die Polizei ermitteln. Seinen Humor traf das Satireblatt nicht. Alles liegt in Asche: die Dossiers, das ganze Mobiliar. Verletzt wurde niemand. Der Täter war wahrscheinlich jemand, der den streitbaren Humor als Provokation empfand, auch als Gotteslästerung. In seiner Sondernummer zum wachsenden Islamismus in den Ländern des arabischen Frühlings machte «Charlie Hebdo» den Propheten Mohammed zu seinem Gastchefredaktor und benannte sich um in «Charia Hebdo». Auf der Frontseite prangte eine Karikatur des Propheten, dem die Macher des früheren Kulttitels folgenden Satz in den Mund legen: «Wer sich noch nicht totgelacht hat, kriegt hundert Peitschenhiebe.» Auf der letzten Seite trägt «Mohammed» eine rote Clownnase und sagt: «Ja, Islam und Humor sind kompatibel.» &endash Eine Parodie auf die Frage, ob der Islam mit der Demokratie vereinbar sei, wie sie im Westen gerade mit einiger Beklemmung diskutiert wird. Die Homepage des Blatts wurde gehackt und auf eine islamistische Seite umgeleitet, die «Charlie Hebdo» Blasphemie vorwirft. Einhellige Verurteilung Die Empörung ist gross. Frankreichs Innenminister sprach am Dienstag von einem «Terroranschlag». «Charb» alias Stéphane Charbonnier, Chefredaktor und Zeichner von «Charlie Hebdo», sieht sich bestätigt in seiner Sicht auf die Extremisten unter den Islamisten, die er in keiner Weise habe provozieren wollen und von denen er sich auch nicht unterkriegen lasse. Die linke Tageszeitung «Libération» bietet seinem Blatt aus Solidarität ein neues Zuhause. Der rechtsradikale Front National fordert den Staat auf, «endlich und entschlossen» die französische Laizität zu verteidigen, ja zu erretten. Und auch muslimische Organisationen verurteilen den Brandanschlag. Sie warnen aber gleichzeitig vor allzu raschen Kurzschlüssen und vor pauschalen Darstellungen des Islam und seines politischen Ausdrucks, die nur die Klischees stärkten. Sondernummer vergriffen Vieles an dieser Geschichte erinnert an 2006, als eine dänische Zeitung Karikaturen von Mohammed publizierte und damit viele Gemüter in der muslimischen Welt echauffierte. Wieder wird nun die sakrosankte Unverletzbarkeit der Meinungsfreiheit mit jener des Respekts für religiöse Gefühle aufgewogen. Und wie vor fünf Jahren, als «Charlie» die dänischen Zeichnungen veröffentlichte und so einen Rekordverkauf von 400 000 Exemplaren erzielte, war auch die Sondernummer «Charia Hebdo» bereits am Mittwochmorgen überall in Frankreich vergriffen. In normalen Wochen verkauft das radikal säkulare, libertäre und linke Blatt, das fast ausschliesslich aus Karikaturen besteht, nur 40 000 Exemplare. Auch christliche Kirchenfürsten, lebende und einst religionsstiftende, machen darin selten eine gute Falle. Der Papst zum Beispiel kommt nie gut weg bei «Charlie Hebdo», was aber freilich keine sonderliche Aufregung verursacht. Eine Sondernummer zu Jesus wäre wohl ein Flop. «Es ist doch ärgerlich», sagt «Charb», «dass wir in Frankreich über alles lachen dürfen, nur über den Islam und die Folgen des Islamismus nicht.» Vor der Redaktion von «Charlie Hebdo» nach dem Anschlag. Foto: Keystone
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