Der Schattenmann auf der Sonnenseite
Einst gehörte Pascal Cerrone beim FC Thun zu den jungen Wilden. Als Assistenztrainer der Oberländer profitiert er von unerfreulichen Erfahrungen, die er als Spieler gemacht hatte.

Als der Anruf kam, begann das Ringen: Der FC Thun war vergangenes Jahr auf der Suche nach Nachwuchstrainern mit Bezug zum Club, Pascal Cerrone, von 2002 bis 2005 Spieler im Oberland und damals Trainer in der 2. Liga interregional bei Frauenfeld, passte ins Anforderungsprofil.
Der Ostschweizer fühlte sich geschmeichelt, die Aufgabe reizte ihn, aber er hatte auch eine gute Stelle in der Buchhaltung von Swissport am Flughafen Zürich, bewohnte mit seiner Frau, einer Oberländerin, die ihm zuliebe zwölf Jahre zuvor die Heimat verlassen hatte, ein Eigenheim in der Nähe von Frauenfeld. Cerrone, der 2015 beim FC Wil die Karriere beendet hatte, war der Übergang ins neue Leben geglückt. War es wert, das alles aufzugeben?
Jobs im Profifussball sind per se mit Unsicherheit verbunden. Und in Thun ist diese noch grösser als anderswo. Der drohende Abstieg, der den Club nachhaltig verändern würde, und die finanzielle Not, hängen wie eine dunkle Wolke am Horizont. Cerrone überlegte monatelang, gemeinsam mit seiner Frau, ohne deren Einwilligung er das Angebot nicht angenommen hätte, wie er sagt.
Der 36-Jährige, der mit seinen Kumpels aus St. Galler Tagen Marc Zellweger und Philippe Montandon ab und zu einen Abend im Casino verbringt, entschied sich für das Risiko.
Bekannt durch Eierjubel
Über ein Jahr ist das her, das Abwägen, das Hin und Her, Pascal Cerrone sagt nun: «Es hat sich gelohnt.» Die Cerrones wohnen in einem Bauernhaus in Steffisburg, sie hat sich in der alten neuen Heimat problemlos eingefunden, er auch.
Beim FC Thun ist Cerrone rasch aufgestiegen, nach ein paar Monaten bei der U-21 wurde er im November zum Assistenten von Trainer Marc Schneider befördert. Simon Nüssli, Cerrones Vorgänger in der U-21 und als Assistent, verblieb als Videoanalyst im Trainerstab.
Für Cerrone sprach seine Erfahrung als Spieler. Fast eineinhalb Jahrzehnte war er Profi in den höchsten beiden Ligen, von den unbeschwerten Zeiten in Thun mit WG-Partner Marco Streller unter Trainer Hanspeter Latour bis zum Aufstieg mit dem FC Vaduz erlebte er Höhenflüge, Cerrone lernte aber auch die Schattenseiten des Business kennen.
Als er im Herbst 2003 in der Barrage der U-21-EM-Qualifikation im Penaltyschiessen gegen Tschechien traf, jubelte er mit einem beherzten Griff zwischen die Beine, sein Trainer Bernard Challandes hatte zuvor gefordert, dass die Spieler Kopf, Herz und Eier zeigen würden. Die Schlagzeile im «Blick» lautete: «Ei Ei Ei Cerrone».
Alice Kuhn, die mittlerweile verstorbene Ehefrau des damaligen Nationaltrainers, durfte sich über Cerrones Manieren auslassen, der «Blick» war in Hochform und fragte: Sind unsere jungen Fussballer schlecht erzogen? Cerrone, 22-jähriger Aussenverteidiger bei Thun, wurde durch den medialen Fleischwolf gedreht. Später verlor Cerrone in St. Gallen die Freude am Beruf, mit der Mentalität im Club kam er nicht zurecht.
Er hatte Angst vor Fehlern und den Reaktionen der Fans, konnte seine Leistungen nicht abrufen. «Ich war jeweils froh, wenn wir auswärts spielten», sagt er. Nach dem Engagement in St. Gallen fand der Linksfuss erst keinen Verein, er war arbeitslos. Er sagt: «Ich musste sehr schwierige Zeiten durchmachen.»
Schneller als gedacht
Pascal Cerrone glaubt, solche Erfahrungen hätten ihn nicht nur geprägt, sie seien auch wertvoll für den Job als Trainer. «Ich spüre genau, wenn es einem Spieler nicht gut geht und er meine Unterstützung braucht», sagt er. I
n Thun ist der Ostschweizer auch Bindeglied zwischen Profiequipe und U-21, regelmässig tauscht er sich mit den Nachwuchsakteuren aus, spricht mit ihnen über das Leben abseits des Platzes. Die Aufgabe als Assistenztrainer gefalle ihm enorm, sagt Cerrone. Und meint, als er 2015 zurückgetreten sei, habe er niemals gedacht, so rasch in den Profifussball zurückkehren zu können.
Als Schattenmann steht Cerrone also auf der Sonnenseite des Lebens. Bleibt die Frage, welche Ambitionen er als Trainer hat. Er sagt, in der täglichen Arbeit mit Schneider sehe er, wie viel ihm selbst noch fehle für diesen Job. Er wolle erst einmal die Prüfungen zum A-Diplom ablegen und weiter Erfahrung sammeln, sagt Cerrone. «Dann sehen wir weiter.» Er hat gelernt, dass es nichts bringt, langfristig zu planen.
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