Deutsche Bank schrumpft globalen Anspruch
18'000 Jobs sollen weg. Der Stellenabbau hat bereits begonnen.

«In den Geschäftsbereichen, in denen wir uns zurückziehen werden, haben wir mit dem Prozess bereits begonnen», sagte Konzernchef Christian Sewing am Montag in einer Telefonkonferenz.
Das betreffe einerseits Asien, anderseits aber auch andere Regionen. Wie stark einzelne Länder und Standorte betroffen sind, sagte Sewing auch auf Nachfrage nicht.
Deutschlands grösstes Geldhaus hatte am Sonntag den Abbau von weltweit rund 18000 Vollzeitstellen angekündigt. Bis zum Ende des Jahres 2022 soll die Zahl der Vollzeitstellen von zuletzt knapp 91500 auf etwa 74000 sinken. Geschrumpft wird vor allem das Investmentbanking.
Auch 2020 könnte ein Verlustjahr werden
Dass die Deutsche Bank im laufenden Jahr Verluste schreiben wird, steht bereits fest. Das Finanzinstitut hofft aber, 2020 zumindest auf ein ausgeglichenes Ergebnis zu kommen. «Wir arbeiten daran, 2020 ein ausgeglichenes oder besseres Ergebnis zu erreichen», sagte Finanzchef James von Moltke an der Telefonkonferenz. Es gebe allerdings erhebliche Unsicherheiten, beispielsweise wann genau die Reorganisationskosten verbucht würden.
Der Stolz vergangener Zeiten ist weit weg bei Deutschlands grösster Bank. Die Sünden der Vergangenheit haben das Institut eingeholt. Ein radikaler Umbau soll die Zukunft sichern.
Es gab Zeiten, da wollten viele bei der Deutschen Bank am liebsten das ganz grosse Rad drehen. Mit der Milliardenübernahme der US-Investmentbank Bankers Trust 1999 schienen die Frankfurter am Ziel: im Herzen des Finanzzentrums Wall Street. Die Deutsche Bank wurde vorübergehend zur grössten Bank der Welt.
Mit einer Party unter dem Motto «Let's go global» feiert die Deutsche Bank am 4. Juni 1999 vor den Zwillingstürmen ihrer Frankfurter Zentrale den Coup. Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» berichtet: «Amerikanische Pyrotechniker liessen Konfettiraketen in den Himmel steigen, das Bier der US-Marke Miller war schnell ausgetrunken.»
20 Jahre später beendet ein ehemaliger Lehrling aus der Bielefelder Filiale der Deutschen Bank, der über viele Jahre Verantwortung im Privatkundengeschäft trug, die Party: Christian Sewing baut den internationalen Auftritt des grössten deutschen Geldhauses radikal um.
Seinen Masterplan skizziert Sewing bei der diesjährigen Hauptversammlung. «Wir haben immer noch zu hohe Kosten, die wir nicht direkt einer Leistung für unsere Kunden zuordnen können», sagt er im Mai. Sewing fordert, die Deutsche Bank solle im Investmentbanking künftig nur noch solche Geschäfte machen, die mindestens eine von zwei Grundvoraussetzungen erfüllen: Sie sind ausreichend profitabel und/oder als Dienstleistung für andere Geschäftsbereiche wichtig.
Für Ende des Durchwurschtelns
Investmentbanking - das ist der Handel mit Wertpapieren, Derivaten und Devisen aller Art. Das ist die Betreuung von Firmenübernahmen, Fusionen und Börsengängen. Das ist aber - zumindest in Teilen - auch eine Spezies von Bankern, die als «Haie in Nadelstreifen» und «Söldner des Kapitalismus» einen zweifelhaften Ruf erworben hat.
Schon wenige Wochen nach seinem Amtsantritt Anfang April 2018 lässt der jüngste Deutsche-Bank-Chef aller Zeiten keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, dem jahrelangen Durchwurschteln ein Ende zu bereiten. «Wir werden den Kurs unserer Bank jetzt ändern. Es gibt keine Zeit zu verlieren», betont Sewing.
Historischer Umbruch
Schnell wird damals klar, was der neue Konzernchef unter einem stabilen Geschäftsmodell versteht. «Unsere Wurzeln liegen in Europa - hier wollen wir Unternehmen und institutionellen Kunden weltweite Finanzierungslösungen anbieten», sagt Sewing. «Darauf werden wir uns künftig noch viel stärker konzentrieren.» Sewings Wunsch: Ab 2021 sollen die Privat- und Firmenkundenbank sowie der Vermögensverwalter DWS ungefähr die Hälfte der Konzernerträge erwirtschaften.
Ein historischer Umbruch. Denn praktisch alle Deutsche-Bank-Chefs seit Ende der 1990er Jahre - mit Ausnahme von Sewings direktem Vorgänger John Cryan, der sich auch schon an der Sanierung des Konzerns versuchte - suchen das Heil im Investmentbanking. Die Bank soll im Konzert der globalen Finanzriesen die erste Geige spielen.
Unter Führung von Hilmar Kopper (1989-1997) geht die Deutsche Bank in die Offensive, übernimmt 1989 das Londoner Investmenthaus Morgan Grenfell und holt 1995 den legendären Edson Mitchell an Bord. Der Amerikaner hatte das Brokerhaus Merrill Lynch zu einer Grösse im Investmentbanking gemacht.
Koppers Nachfolger Rolf Breuer (1997-2002) treibt die Internationalisierung voran - ein richtiger Schritt, wie Breuer anlässlich seines 80. Geburtstags im November 2017 im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur bilanziert: «Eine verstärkte Aktivität im Investmentbanking wie sie die Bank dann verfolgt hat, heisst ja nicht notwendigerweise, dass man Fehlverhalten kreiert.»
«Gigantischer Hedgefonds»
Mit Josef Ackermann (2002-2012) wird erstmals ein Investmentbanker Chef des Konzerns. Der Schweizer feiert einen Milliardengewinn nach dem anderen, das Kapitalmarktgeschäft wird zur Goldgrube. Zwischenzeitlich erwirtschaftet das Investmentbanking drei Viertel der Gewinne des Konzerns - allerdings mit hohem Risiko. Das britische Magazin «The Economist» bezeichnet das Institut, das im Ausland schlicht «Deutsche» genannt wird, gar als «gigantischen Hedge-Fonds».
Die Finanzkrise 2007/2008 offenbart die Schattenseiten des Geschäfts. Mit windigen Wetten auf den US-Hypothekenmarkt zocken Banker die Weltwirtschaft an den Rand des Kollaps.
Es sei eine «Schlangengrube voller Gier, Interessenkonflikten und Missetaten» gewesen, schildert ein Senator, als der US-Senat im Frühjahr 2011 einen 639 Seiten starken Untersuchungsbericht zur Finanzkrise veröffentlicht. Als negatives Beispiel wird die Wall-Street-Grösse Goldman Sachs genannt - und die Deutsche Bank. Dass ausgerechnet der Investmentbanker Anshu Jain im Mai 2012 ernannt wird, um als neuer Deutsche-Bank-Chef die Scherben zusammenzukehren, sorgt gerade auf dem Heimatmarkt für Unverständnis. Im Duo mit dem früheren Deutschland-Chef Jürgen Fitschen soll ein «Kulturwandel» gelingen. Doch Jains Getreue («Anshus Army»), die sich an üppige Boni gewöhnt haben, lassen sich nicht so leicht in ein Korsett zwingen.
Suche nach der richtigen Balance
Das einst gefeierte Investmentbanking wird immer mehr zur Last für den deutschen Branchenprimus. Statt für Milliardengewinne steht die Sparte seit der Finanzkrise für Milliardenstrafen. Dazu kommt: Die US-Konkurrenz jagt der Deutschen Bank Marktanteile ab.
Verabschiedet sich die Deutsche Bank nun von ihrem Anspruch, in der Topliga der internationalen Investmentbanken mitzuspielen? Beerdigt Deutschlands grösstes Geldhaus seinen amerikanischen Traum? Keineswegs. Im sogenannten Transaction Banking, das Zahlungsverkehr, Handelsfinanzierung und Wertpapierdienstleistungen umfasst, gehört die Deutsche Bank weiterhin zur Weltspitze. Auch in der Vermögensverwaltung will das Geldhaus weiter wachsen.
Die Frage ist vielmehr: Wie dauerhaft ist die Strategie, die Sewing nun durchboxt? Seit mehr als zwei Jahrzehnten sucht das Geldhaus, das im nächsten Jahr 150 Jahre alt wird, nach der richtigen Balance zwischen Privatkundengeschäft und Kapitalmarkt. Ende der 1990er Jahre fühlte sich mancher Privatkunde als Kunde zweiter Klasse, weil die Bank ihn in die «Deutsche Bank 24» ausgliederte. Die Postbank wurde Jahre später erst übernommen, sollte dann wieder verkauft werden, ehe im Frühjahr 2017 dann doch entschieden wurde, die Bonner Tochter zu integrieren.
«Es wird eine neue Deutsche Bank geben» - diesen Satz sagte der damalige Konzernchef Breuer im Juni 1999 dem «Spiegel». Die aktuelle Lage könnte nicht treffender beschrieben werden.
SDA
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