Flucht aus AfghanistanDas Baby, das am Flughafen verloren ging
Seine Eltern dachten, sie würden den kleinen Sohail nie wieder sehen. Nun ist das Baby doch noch gefunden worden – wie durch ein Wunder.

Die Geschichte, die nun zu einem herzerwärmend guten Ende gekommen ist, beginnt am 19. August am internationalen Flughafen von Kabul.
Die Taliban haben Afghanistans Hauptstadt erobert, zu Tausenden fliehen Menschen vor der Grausamkeit der islamistischen Fanatiker. Am Flughafen herrscht ein unsägliches Chaos, und mittendrin sind Mirza Ali Ahmadi, seine Frau Suraya und seine fünf Kinder. Als ehemaliger Wachmann der US-Botschaft darf Ahmadi mit seiner Familie das Land verlassen.
Panik und Gedränge
Später wird der 35-Jährige der Nachrichtenagentur Reuters erzählen, es hätten noch fünf Meter bis zum Eingang des Flughafens gefehlt. Aber das Gedränge sei so bedrohlich geworden, dass er um das Leben seines damals zwei Monate alten Sohnes Sohail gefürchtet und ihn einem Uniformierten übergeben habe – in der Absicht, das Baby zurückzuholen, sobald die übrige Familie im Inneren des Flughafens in Sicherheit sei.
Aber die Taliban drängen die Menge zurück, und als es die Familie eine halbe Stunde später doch noch in das Gebäude schafft, sind Sohail und der Uniformierte, den Ahmadi für einen US-Soldaten gehalten hat, verschwunden.
Verzweifelte Suche, zunächst im Flughafen. Die Eltern erfahren, dass es einen Bereich gibt, wo verlorene Kinder hingebracht werden. Aber da ist keine Spur, weder von Sohail noch vom vermeintlichen US-Soldaten.
Der Taxifahrer verlangt, ebenfalls ausgeflogen zu werden.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters weigert sich Safi zunächst, das Kind dessen Grossvater zu übergeben, der aus einer entlegenen Provinz nach Kabul geeilt ist. Er, der Taxifahrer, verlangt, mit seiner Familie ebenfalls in die USA ausgeflogen zu werden. Erst nach mehrwöchigen Verhandlungen und Interventionen der Taliban, schreibt Reuters, habe Safi nachgegeben.
Tränen in Kabul, als der Grossvater am vergangenen Samstag seinen Enkel abholt. Tränen auch in Michigan, wo Sohails Familie mittlerweile lebt. Das amerikanische Aussenministerium verspricht, es werde sich bemühen, die Familie so schnell wie möglich zusammenzuführen.
Sandro Benini ist Redaktor im Ressort Kultur und Gesellschaft. Er hat italienische und deutsche Literatur studiert und war elf Jahre lang Lateinamerika-Korrespondent mit Wohnsitz in Mexiko.
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