Die drei grossen Fragen zu Kims Atomprogramm
Wie weit sind die Pläne für eine Atommacht in Nordkorea schon gediehen? Der neuerliche Test gibt diesbezüglich erste Auskünfte. Vor allem US-Geheimdienste gehen der Frage auf den Grund.
Mit grossen Schritten entwickelt sich Nordkorea zur echten Atommacht. Das zeigen die jüngsten Tests. Diese lassen gleichzeitig aber auch Rückschlüsse darüber zu, wie weit die Diktatur noch entfernt davon ist, die USA oder Washingtons Verbündete mit Atomwaffen anzugreifen.
Seit Pjöngjangs neuestem Atomtest beschäftigen Geheimdienste und Militärs in Nordkoreas Nachbarschaft drei grosse Fragen: Welche Sprengkraft hatte die Waffe, die Pyongyang am Dienstag testete? Welches Material kam zum Einsatz? Und wie weit sind Nordkoreas Nuklearwaffenpläne insgesamt?
Pyongyang selbst bezeichnete den unterirdischen Test als vollen Erfolg. Die Atomwaffe sei stärker und fortschrittlicher gewesen als die Bomben, die bei den zwei früheren Tests zum Einsatz gekommen waren, so die Regierung.
Angereichert mit Uran?
Vor allem bei den USA, die von Nordkorea als Erzfeind auserkoren wurden, fragt man sich nach einem erfolgreichen Test einer Langstreckenrakete im Dezember, wie weit das Land davon entfernt ist, zu einer echten Bedrohung zu werden. Dafür müssen die Geheimdienste zunächst herausfinden, was für eine Art von Atombombe zum Einsatz kam. War es wie 2006 und 2009 eine Kernwaffe mit Plutonium oder wurde hoch angereichertes Uran verwendet?
Nordkorea besitze nur wenig Plutonium, und es wäre schwierig und kostspielig für das Land, mehr davon zu produzieren, sagt der Analyst James Acton von der US-Denkfabrik «Carnegie Endowment for International Peace». Hoch angereichertes Uran hingegen sei billiger und leichter zu herzustellen. Sollte sich herausstellen, dass Nordkorea mit Uran gearbeitet habe, spräche dies dafür, dass die stalinistische Diktatur sein Atomwaffenarsenal schnell vergrössern könne.
«Ein Test mit hoch angereichertem Uran wäre eine bedeutsame Entwicklung», sagte Acton. «Leider haben wir noch keine harten Fakten zur Sprengkraft der Bombe und zur Frage, ob sie aus Plutonium oder hoch angereichertem Uran war.»
Stärkere Erschütterung als bei früheren Tests
Einem Experten zufolge sollte der US-Geheimdienst diese Frage innerhalb weniger Tage klären können. Hoch angereichertes Uran baue sich schnell ab, deshalb müssten Messungen zur Radioaktivität in der Atmosphäre innerhalb von 24 Stunden vorgenommen werden, so Joseph De Trani, ehemaliger Leiter des NCPC, der US-Geheimdienstbehörde, die die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen eindämmen soll.
Erste Hinweise auf die Erprobung einer Atomwaffe lieferten am Dienstag seismologische Aufzeichnungen. US-Vertreter schätzten die seismische Aktivität am Schauplatz des Kernwaffentests auf etwa 5,1 - dies entspräche einem mittleren Erdbeben. Bei den früheren Tests wurden Stärken von 4,3 und 4,7 gemessen.
«Mehrere Kilotonnen» Sprengkraft
Sechs bis sieben Kilotonnen Sprengkraft habe die Kernwaffe gehabt, errechnen südkoreanische Experten anhand der bislang verfügbaren seismologischen Daten. Die USA sprechen derzeit von «mehreren Kilotonnen». Zum Vergleich: Die Atombombe, die 1945 über Hiroshima gezündet wurde, hatte etwa 20 Kilotonnen Sprengkraft.
Einiges hängt auch vom Wahrheitsgehalt der Behauptung Pjöngjangs ab, eine kleinere, fortschrittlichere Waffe entwickelt zu haben, denn ein Atomsprengkopf für Langstreckenraketen muss leicht sein. Bei der Frage, ob Nordkorea grosse Fortschritte dabei macht, atomar bestückte Interkontinentalraketen zu produzieren, sind die Experten sich nicht einig. Allerdings herrscht Konsens, dass Nordkorea sein Ziel noch nicht erreicht hat.
Weitere Tests müssten folgen
Am jüngsten Test könne sich möglicherweise ablesen lassen, wie weit Nordkorea sei, sagten David Albright und Andrea Stricker vom unabhängigen amerikanischen Forschungsinstitut Institute for Science and International Security (ISIS).
«ISIS ist der Auffassung, dass Nordkorea noch nicht über die Fähigkeit verfügt, eine Interkontinentalrakete mit einem Sprengkopf zu bestücken, aber das Land zeigt in dieser Hinsicht Fortschritte», so Albright und Stricker. Es könne noch Jahre dauern, bis Nordkorea ernsthaft die USA mit Atomwaffen bedrohen könne, sagten die Analysten weiter. Zuvor müssten weitere Raketentests erfolgen, die Sprengkraft verstärkt und die Verlässlichkeit von Raketen und Sprengköpfen verbessert werden.
SDA/mrs
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