Die Post zieht ab
In Grossaffoltern gibt es keine Post mehr. Neu ist die Gemeindeverwaltung für die Postgeschäfte verantwortlich. Niklaus Marti, Gemeindepräsident und ehemaliger Posthalter, hat das Personal geschult.
Trotz allem begrüsst Niklaus Marti im hellgelben Hemd. Gelb war die Farbe seines Berufs, 29 Jahre lang arbeitete der Gemeindepräsident von Grossaffoltern (BDP) als Posthalter im Dorf. Wie schon sein Vater, wie schon sein Grossvater.
98 Jahre Postdynastie Marti: Letzten Freitag ging sie zu Ende (siehe Infobox). Am Montag wurde die Filiale ausgeräumt, das Schild abmontiert, das Ende besiegelt. Künftig kümmert sich die Gemeindeverwaltung um die Postgeschäfte.
Trotz allem trägt Marti Gelb. Schliesslich ist dieser Weg noch nicht zu Ende, er nimmt gegen Schluss einfach eine neue Wendung. Bis Marti 62 Jahre alt wird, in 16 Monaten also, wird er als Springer in den Poststellen zwischen Biel und Bern aushelfen. Zudem ist er für die Schulungen zuständig. In Läden, Kiosken, auf Verwaltungen: überall dort, wo sich Laien künftig der Postangelegenheiten annehmen müssen.
Express und eingeschrieben
Auch auf der eigenen Verwaltung war Marti Coach. Vier Tage Crashkurs, am Montag war dann Feuertaufe in Grossaffoltern. «Es ist gut angelaufen, am ersten Morgen kamen bereits rund zwanzig Postkunden vorbei.» Mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise Kontoeröffnungen, erhalten die Einwohner die gleichen Dienstleistungen wie auf der Post.
«95 Prozent der Leute werden mit dem Angebot zufrieden sein, einige ältere Leute vielleicht nicht», sagt Marti. Im Eingangsbereich steht ein Automat der Post, hier können die Kunden selber ihre Pakete und Briefe etikettieren. «Älteren Menschen müssen wir bei der Bedienung des Touchscreens noch behilflich sein.»
Zwei Gemeindeangestellte und die drei Auszubildenden werden sich nun um die «Filiale mit Partner» kümmern. Im Crashkurs haben sie gelernt, wie eine Expresssendung funktioniert oder ein eingeschriebener Brief zu handhaben ist.
«Strukturiertes Arbeiten ist bei Postgeschäften zentral, man muss die Prozesse intus haben», sagt Niklaus Marti. Er hat bereits das Personal im Denner in Worben geschult, als Nächstes ist ein Kiosk in Busswil an der Reihe. «In den Kursen vermittle ich Basiswissen. Es umfasst nur einen Bruchteil der Arbeit, die ich als Posthalter erledigt habe.»
Gelassen und pragmatisch
Mit seiner Situation, nach Jahrzehnten der Treue kurz vor der Pensionierung quasi abgesägt zu werden, hat sich Marti arrangiert. «Ich sehe das Ganze gelassen und pragmatisch.» Auch finde er den Sozialplan der Post, nach einer Nachbesserung notabene, «fair».
Mit 62 Jahren endet das Arbeitsverhältnis mit der Post, sie wird zur Pensionskasse hinzu eine Überbrückungsrente finanzieren. «Ich werde mit der Situation klarkommen», sagt er.
Schoggi und Wein
Langweilig wird ihm auch nach seinem 62. Geburtstag nicht sein. Niklaus Marti stellt sich im Herbst erneut als Gemeindepräsident zur Verfügung. Zudem kandidiert der Seeländer für den Grossen Rat – vor 8 Jahren fehlten ihm zum Einzug ins Kantonsparlament lediglich 16 Stimmen. «Auch werde ich sicherlich in einem Teilpensum irgendetwas weiterarbeiten, wohl im Verkaufsbereich.»
So locker, wie es jetzt klingt, war der Abschied nicht. Niklaus Marti offerierte am Freitag Speckzüpfe und Weisswein, das halbe Dorf versammelte sich in der Post. «Ich wurde mit Geschenken überhäuft, Schoggi und Wein.» Seltsam sei es dann schon gewesen, zum letzten Mal das Gitter zu schliessen.
Einige Einwohner nahmen als Andenken etwas aus der Poststelle mit nach Hause, ein Pult oder ein Regal. Der grosse Pakettisch steht nun in der Gärtnerei Leonotis. Und ein Rollpult steht bei Niklaus Marti zu Hause. Es hat bereits seinem Vater gehört.
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