1:0 gegen XamaxDie Thuner bestehen den Alltagstest
Glänzend agierte der FC Thun im Cup. Zurück im Ligaalltag, stolpern die Oberländer beinahe über das Tabellenschlusslicht. Aber nur beinahe.

Dann ist es weder ein schneller Gegenstoss noch ein sauber herausgespieltes Tor: In der 58. Minute nimmt sich Leonardo Bertone ein Herz und knallt den Ball aus 30 Meter sec links halbhoch ins Gehäuse. Xamax-Torwart Théo Guivarch hat keine Chance. Endlich ist es da, das Tor – nach einigen Minuten drückender Überlegenheit, aber wie gewohnt etwas planlosem, unsauberem Spiel im letzten Platzdrittel.
Pflicht statt Kür
Doch von vorne: Am Sonntagabend heisst es Pflichtspiel in der Challenge League statt Cupkracher. Der FC Thun kehrt in den Ligaalltag zurück. Würde der Sieg im Cupachtelfinal gegen Luzern dem Team Aufschwung verleihen? Kommt jetzt die grosse Aufholjagd Richtung Aufstiegsplätze? Der Gegner ist Tabellenschlusslicht Neuchâtel Xamax, die drei Punkte also Pflicht.
Trotzdem sorgt ein Blick aufs Matchblatt für Sorgenfalten: Neben Gabriel Kyeremateng ist auch Nicola Sutter gesperrt, sein Mitstreiter Jan Bamert immer noch angeschlagen. So bilden Fabian Rüdlin und Captain Marco Bürki die Innenverteidigung. Rüdlin überzeugte zuletzt gegen Luzern nicht immer. In der siebten Minute bereits verursachte er den Penalty, der zum 0:1 führte. Bürki agiert am Sonntagabend überraschend kompromisslos, haut den Ball auch mal aus der Gefahrenzone, statt ihn zu vertändeln.

Das Spiel beginnt schwungvoll: Bereits in der vierten Minute bekommt Xamax-Verteidiger Kenan Fatkic die Schnelligkeit von Dimitri Oberlin zu spüren. Der Slowene sieht direkt Gelb. Nach knapp 20 Minuten bittet Oberlin Fatkic zum vierten Mal zum Laufduell. Der Xamaxien kann nicht mithalten und bremst Oberlin kurz vor dem Sechzehner in Ringermanier – Gelb-Rot.

Baustelle Spielaufbau
Die Überzahl ist Gift für das Thuner Spiel. Die zehn Neuenburger stehen tief. Statt Balleroberungen und schnelles Umschaltspiel müssen sich die Oberländer im Spielaufbau üben. Und das ist immer noch eine der Baustellen im Team von Mauro Lustrinelli. Der direkte Freistoss durch Castroman nach dem Platzverweis ist die gefährlichste Aktion der Thuner in den ersten 45 Minuten. Der Ball knallt ans Lattenkreuz. Kurz vor der Pause wird Xamax gefährlich, Thun-Goalie Mateo Matic lenkt Danilo Del Toros Schuss aber an den Pfosten. Schon in der 12. Minute musste der Cupheld gegen Aimery Pinga eingreifen.
Nach dem 1:0 von Bertone bringt Lustrinelli mit Alexandre Jankewitz und Justin Roth noch mal neue Kräfte, mit Bamert zehn Minuten vor Ende aber auch einen Verteidiger für Stürmer Roland Ndongo. Thun hat noch mal eine hundertprozentige Chance durch den sichtlich angeschlagenen Dimitri Oberlin. Die Gäste versuchen trotz Unterzahl den einen oder anderen Nadelstich.
Matic klärt aber immer wieder glänzend. So auch gegen Altmeister Raphaël Nuzzolo, der nach einem weiten Ball allein vor dem 27-Jährigen auftaucht. Matic befindet sich in beneidenswerter Form. Für Eigengewächs Nino Ziswiler wird es schwer werden, an Matic vorbeizukommen. Es bleibt nach dieser Partie auch bei einer speziellen Serie: Xamax bleibt auswärts seit Saisonbeginn sieglos.

«Spiel um Spiel»
Drei Punkte, aber viele Fragezeichen: Eine Aufholjagd einläuten fühlt sich anders an als die glanzlosen 90 Minuten gegen Xamax. «Die Partie war die mental schwerste in dieser intensiven Woche», sagt Torschütze Bertone nach dem Sieg. Im letzten Drittel sei das Team zu wenig effizient aufgetreten. Man wolle nicht von einer Aufholjagd sprechen, sondern nun Spiel um Spiel nehmen – ohne allzu fest auf die Tabellenposition zu schauen.
«Die Partie war die mental schwerste in dieser intensiven Woche.»
Trotzdem ist es der Platz in der Rangliste, der am Ende zählt. Dessen ist sich auch Präsident Andres Gerber bewusst, wie er am Sonntag gegenüber SRF sagt. Mit den vielen namhaften Zuzügen Anfang Saison habe man Erwartungen geschürt. «Ich muss mich auch immer daran erinnern, dass die neuen Spieler aus Situationen kamen, wo sie nicht voller Selbstvertrauen, voller Elan waren.» Das brauche Zeit. Diese Zeit ist nach zwei gespielten Partien in der Rückrunde definitiv angebrochen.
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