YB auch bei Sion schadlosNicht einmal die Hitze kann den Young Boys etwas anhaben
Die Berner legen im Wallis einen Traumstart hin und holen dann im dritten Saisonspiel den dritten Sieg. Nicht nur Trainer Raphael Wicky ist ein Gewinner der ersten Wochen.

Christian Fassnacht hat sich ein kaltes, nasses Tuch über den Kopf gelegt, sekundenlang steht der YB-Spieler in der Trinkpause Mitte der zweiten Halbzeit so da. Die Abkühlung wirkt wie ein Tropfen auf den heissen Stein im Glutofen Tourbillon, der mit seinen niedrigen Tribünen den Teams so gut wie keinen Schatten bietet.
Längst ist es ein Abnutzungskampf an diesem späten Sonntagnachmittag im Wallis. Längst geht es für die Young Boys darum, dem Gegner kein Tor zuzugestehen und ihn so zurück ins Spiel finden zu lassen. Natürlich sei das Wetter ein Faktor gewesen, sagt David von Ballmoos. «Wenn sogar ich als Goalie die grosse Hitze spüre, dann will ich mir gar nicht erst vorstellen, wie es für die Jungs ist, Kilometer um Kilometer abzuspulen.»
Von Ballmoos gibt nach der Partie gut gelaunt Auskunft, er bleibt auch im dritten Saisonspiel ohne Gegentor. Zum 4:0 gegen den FCZ vor Wochenfrist kommen der Minisieg in der Conference League bei Liepaja und dieses 3:0 in Sitten hinzu.

Wobei der Erfolg im Tourbillon wie schon der Startsieg gegen die Zürcher höher ausfällt, als das Geschehen zeitweise hätte vermuten lassen. In der ersten Halbzeit trifft Sions Stürmer Filip Stojilkovic mit einem Kopfball den Pfosten. In der zweiten verhindert von Ballmoos gegen den eingewechselten Gaëtan Karlen aus kurzer Distanz den Anschlusstreffer. Kurz vor Schluss kann Nicolas Ngamaleu mit einer feinen Einzelleistung für YB noch erhöhen.
Eine phasenweise Passivität will der Goalie gesehen haben. Und sein Trainer Raphael Wicky sagt: «Wir wissen, dass nicht alles perfekt war.» Aber, fügt der Walliser an, die letzten Tage mit der grossen Hitze, der Reiserei zum Spiel in Lettland und nun ins Wallis seien schwierig gewesen. «Siege geben Selbstvertrauen. Sie helfen, ein Team zu formen. Ich bin enorm zufrieden, wie die Woche verlaufen ist.»
Natürlich ist der guten Stimmung bei YB nicht abträglich, dass die zwei mutmasslich grössten Konkurrenten, Meister FCZ und Basel, auch am zweiten Spieltag sieglos bleiben.
Ein Tor wie auf der Taktiktafel gezeichnet
Wicky kann auch deshalb zufrieden sein, weil seine Spieler im neuen System mit Mittelfeldraute Fortschritte gegenüber der Vorwoche erkennen lassen. Das 1:0 nach bereits 63 Sekunden ist da nicht miteinbezogen, es fällt nach einem Corner von Fabian Rieder durch einen Kopfball von Wilfried Kanga. Wobei: Rieder, von Wicky ins offensive Mittelfeld beordert, und Kanga sind zwei der grossen Gewinner unter dem neuen Trainer.
Nach dem Führungstreffer zeigen die Young Boys vorerst Fussball, wie er Wicky vorschwebt. Sie powern weiter, die Aussenverteidiger rücken hoch auf, die Berner verschaffen sich mit schnellen Kombinationen im Mittelfeld zudem immer wieder Räume. Rieder sowie Ngamaleu auf halblinker und vor allem Christian Fassnacht auf halbrechter Position im Mittelfeld können sich Mal für Mal dem Zugriff des Gegners entziehen.
Fassnacht leitet das 2:0 mit einer Finte ein, sein Zuspiel findet Cédric Itten, der etwas zur Seite ausgewichen ist und von dort aus für Kanga auflegt. Der 24-jährige Stürmer bezwingt mit seinem schon dritten Saisontor Sions Goalie Heinz Lindner. Der Treffer wirkt wie vorgezeichnet auf der Taktiktafel. Und er ist der perfekte Start bei einer «gefühlten Temperatur von 40 Grad», wie Wicky bemerkt. «Diese zwei schnellen Tore haben uns extrem geholfen.»
Mit 20 ist Rieder im YB-Spiel prägend
Auch Rieder hat beim 2:0 wie schon beim ersten Treffer seine Füsse im Spiel, er ist neben Goalie von Ballmoos und Fassnacht der Einzige im luxuriösen YB-Kader, der in dieser Saison immer in der Startaufstellung stand. Es ist Ausdruck seines Aufstiegs, wie ein Speedkletterer ist er die Hierarchie hochgeeilt. Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren stand der 20-Jährige mit der YB-U-21 nach langem Corona-Unterbruch, die für die Nachwuchskräfte eine grosse Ungewissheit bedeutet hatte, vor der Wiederaufnahme der 1.-Liga-Saison.
Die Position im offensiven Mittelfeld verschaffe Rieder etwas mehr Freiheiten, sagt Wicky. Da dieser mit Cheikh Niasse eine Absicherung im defensiven Mittelfeld habe. Rieder mache seine Sache gut, er spiele mittlerweile mit viel Selbstvertrauen, sagt Wicky. «Aber er muss weiterarbeiten.» Wie es ist, ein Senkrechtstarter zu sein, weiss der Trainer schliesslich aus eigener Erfahrung. Er war gerade einmal 16-jährig, als er 1993 für Sion in der Nationalliga A debütierte.
Wicky hebt nicht nur im Falle von Rieder den Mahnfinger. Auf den perfekten Saisonstart mit 7:0 Toren in der Super League und sechs Punkten angesprochen, sagt er: «Wäre in Sitten das 1:2 gefallen, hätte die Partie kippen können.» Und er erwähnt das 4:0 gegen Zürich, als FCZ-Spielmacher Antonio Marchesano in der zweiten Halbzeit beim Stand von 0:0 einen Penalty verschoss.
Siegen und dennoch den Mahnfinger heben können, es ist eine komfortable Situation für den Trainer. Auch Wicky ist ein Gewinner der ersten Wochen.
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