Ein bisschen mehr Contenance, s'il vous plaît
Der Pulverdampf ist nach dem Abstimmungssonntag noch immer nicht verraucht. Bei den Linken liegen die Nerven blank, aber auch Sieger Christoph Blocher gebärt sich verwerflich. Ein Kommentar von Politik-Redaktor Gregor Poletti.
«Die spinnen, die Schweizer», quittierte der deutsche SPD-Vize Ralf Stegner das Ja der Eidgenossen zur Masseneinwanderungsinitiative. Er hat diesen Ausrutscher inzwischen etwas relativiert, aber die Aussagen und Verlautbarungen der europäischen Classe politique atmen noch immer diesen Geist. Dies widerspiegelt das basse Erstaunen über das kleine Bergvolk, das sich erdreistet, eigene Wege einzuschlagen und dabei europäische Grundwerte infrage zu stellen. Der Moloch Brüssel ist gekränkt und speit Gift und Galle. Das ist nachvollziehbar, wurde das Staatengebilde doch in seinem Selbstverständnis getroffen.
Auch in der Schweiz ist der Pulverdampf noch nicht verraucht. Besonders bei den Verlierern auf der linken Seite liegen die Nerven blank. Sie wissen, dass mit dem vergangenen Wochenende die Schweiz noch stärker als zuvor nach der Pfeife der SVP tanzt – vor allem in der Ausländerpolitik. Besonders dreist ist der Vorschlag des ehemaligen SP-Nationalrates Rudolf Rechsteiner (BS): Er will die Abstimmung wiederholen, weil sich das Volk der Konsequenzen nicht bewusst gewesen sei. Das ist schlichtweg falsch und zeugt von einem eigenartigen Demokratieverständnis. Das Stimmvolk wurde im Abstimmungskampf unmissverständlich darüber ins Bild gesetzt, dass bei einem Ja schwerwiegende Konsequenzen zu erwarten sind. Die Gegner müssen sich selbst an der Nase nehmen, dass sie mit ihren Argumenten nicht durchdrangen.
Als schlechter Verlierer outet sich auch der höchste Schweizer Sozialdemokrat.SP-Präsident Christian Levrat präsentierte gestern zehn Vorschläge, die auf der Idee fussen, dass Orte mit hohem Ja-Anteil tiefe Kontingente erhalten sollen. Mit anderen Worten, wer Ja gesagt hat zur Zuwanderungsinitiative der SVP, soll bestraft werden. Diese Idee ist nicht nur absurd, sondern gefährlich. Abstimmungen wären in dieser Logik künftig nicht mehr Ausdruck einer freien Meinungsäusserung, weil diese mit einer möglichen Bestrafung oder Diskriminierung verbunden wären.
Aber auch die Sieger gebärden sich teilweise verwerflich. Besonders übel treibt es SVP-Nationalrat Christoph Blocher. In einem Interview mit der «Basler Zeitung» diskreditiert er die Romands und behauptet allen Ernstes, dass die Welschen immer ein schwächeres Bewusstsein für die Schweiz gehabt hätten. Der Bundesrat hat gestern vorgemacht, was es jetzt braucht: Contenance und ein pragmatisches Vorgehen. Wir brauchen keine schlechten Verlierer und ignoranten Brandstifter. Das käme vor allem der EU zupass, wenn wir uns jetzt selber zerfleischen würden.
Mail: gregor.poletti@bernerzeitung.ch
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