Ein Sucher und Sammler im Bilderwald
Die Ausstellung «Repro» von Matthias Gabi vereint im Kunsthaus Langenthal tiefgründige Fragen mit viel Ästhetik.
Hier, im langen Gang des Kunsthauses, hatte der junge Niederbipper einst seinen Einstand. Im Rahmen der Regionale, wie die Jahresausstellung damals noch hiess, konnte Matthias Gabi 2005 erstmals eine Arbeit ausserhalb der Mauern der Zürcher Kunsthochschule zeigen.
Mehr als zwölf Jahre später ist aus dem Studenten von damals ein gestandener Künstler geworden. Sind zu weiteren Ausstellungen in Langenthal längst auch Auftritte in Galerien und Museen in Bern, Zürich, Lausanne, Brüssel, Mailand oder Basel hinzugekommen. Und doch sei mit dieser aktuellen Ausstellung im Kunsthaus ein besonderes Gefühl verbunden, sagt der heute 36-Jährige. Weil es seine bisher grösste Einzelausstellung überhaupt ist, natürlich auch. Ebenso wegen des Ortes an sich allerdings.
Zwar verbindet den Wahlzürcher mit seiner ehemaligen Heimat heute nur noch wenig. Nach dem Sohn haben inzwischen auch die Eltern Niederbipp verlassen, wo Gabi den Grossteil seiner Kinder- und Jugendjahre verbracht hatte. Von den Freunden aus dieser Zeit sind ebenfalls viele weggezogen. Nur der Zufall wollte es, dass die Schwester heute in Langenthal lebt. Und doch hat Gabi insbesondere das Kunsthaus immer wieder zurückgezogen. «Hier verlagert sich meine Vergangenheit mit der Gegenwart», sagt er.
Von Swissair bis Ikea
Es ist eine sehenswerte Gegenwart. Über den ganzen ersten Stock verteilt sich Gabis Schaffen, aufgeteilt in verschiedene Serien. Im Zentrum seiner Ausstellung «Repro» steht dabei die gleichnamige Werkgruppe: Reproduktionen von Druckerzeugnissen aus verschiedenen Zeiten, vom Kunstkatalog aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts über die «Swissair-Gazette» der 1960er-Jahre bis zum aktuellen Ikea-Katalog.
Einmal ist es die ganze Doppelseite einer Zeitschrift, die er wiedergibt. Ein anderes Mal ist es nur ein Ausschnitt aus der ursprünglichen Präsentation. Immer auf demselben grünen Lineoleumtischblatt aus derselben Perspektive abfotografiert und auf ein einheitliches Format hinauf vergrössert, wohnt den ausgewählten Motiven sodann eine ganz eigene Ästhetik inne. Aus dem Dokument ist ein Bild geworden.
Darum ist es Matthias Gabi schon immer gegangen: um das Bild im eigentlichen Sinn, dessen Bedeutung und Wahrnehmung sich mit dem Einzug moderner Reproduktionstechniken stark verändert hat.
Akribisches Schaffen
In früheren Arbeiten noch auf der Suche nach dem eigentlichen Urbild, das quasi alle Vorstellungen eines Objekts in sich verkörpert, sei er von diesem absoluten Ansatz in seiner jüngsten Werkreihe etwas weggekommen, erklärt Gabi. «Hier geht es auch um die Faszination am Druckerzeugnis an sich.» Was wird überhaupt noch gedruckt? Was ist es wert, aufbewahrt zu werden? Wer bestimmt darüber? Und was geschieht mit dem Rest?
Es ist ein langes Suchen, das Gabis Werken vorausgeht. Langsam und über Tage, Wochen, Monate arbeitet er sich in seinem Atelier durch Bücher und Zeitschriften, vergleicht, wählt aus, reproduziert, betrachtet, verwirft, wählt wieder aus. Eine eigentliche Bibliothek könne er mittlerweile sein Eigen nennen, sagt der Künstler, der in sogenannten Lecture Performances auch immer wieder Einblicke gibt in seine akribische Schaffensweise.
Aber Gabi reproduziert nicht nur Reproduktionen. Eine Videoprojektion mit 101 Einzelbildern aus bekannten Filmen zeigt die Darstellenden mit stets so neutralen Gesichtsausdrücken, dass ein von der Szene und aktuellen Handlung vollständig unabhängige Momentaufnahme entsteht.
Gabis «Objets» wiederum sind Fotografien von alltäglichen Objekten, die er in der Manier der Produktefotografie selber in Szene setzt. Hier sind es minime Verschiebungen wie eine bewusst anders gewählte Perspektive, mit denen er die Wahrnehmung auf das Bild als solches führt.
Die soeben erschienene Künstlerpublikation «Shot on iPhone» mit 704 Aufnahmen von Schaufenstern und Werbeplakaten, die Gabi mit dem Handy geschossen hat, geht der Frage nach, wie Bilder im Alltag angereichert werden und welche Zufälligkeiten dabei mit eine Rolle spielen.
Vernissage: heute Mittwoch, 18 Uhr, Kunsthaus Langenthal.
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