Eine der besten Reihen der Kriminalliteratur
Krimi der Woche: James Lee Burke ist einer der Giganten des Genres. Zum Glück erscheint seine Robicheaux-Reihe jetzt komplett auf Deutsch.

Der erste Satz:
Wir parkten den Wagen vor dem Bezirksgefängnis und lauschten dem Regen, der auf unser Dach trommelte.
Das Buch:
Die Rubrik «Krimi der Woche» stellt im Prinzip deutsche Erstausgaben und Neuübersetzungen wichtiger Werke vor. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Für wen oder was im Krimibereich soll man eine Ausnahme machen, wenn nicht für James Lee Burke und seine Serie um Dave Robicheaux! Denn Burke ist einer der Grossen des Genres, und diese Serie ist eine der besten Romanreihen der Kriminalliteratur. Grosses Lob gebührt dem Pendragon-Verlag dafür, sich diesem Opus anzunehmen und die 1990 bis 2003 bei Goldmann erschienenen deutschen Ausgaben sowie die bisher noch nicht übersetzten Bände schrittweise komplett herauszugeben. Gestartet wurde die neue Edition 2015 mit dem furiosen Post-Katrina-Roman «Sturm über New Orleans» («The Tin Roof Blowdown», 2007), in dem Burke Robicheaux in das zerstörte New Orleans schickt. Gnadenlos seziert Burke das Versagen der Politik, die Korruption und das miese Geschäftemachen skrupelloser Profiteure.
Seinen ersten Auftritt hatte der Polizist, Vietnamveteran und meistens trockene Alkoholiker Robicheaux 1987 in «Neon Rain» («Neonregen»). Damals war er noch bei der Polizei in New Orleans. Nach seinem skandalträchtigen Abgang dort kehrte er in seinen Heimatort New Iberia am Bayou Teche zurück, wo er den Fischköderladen und Bootsverleih seines Vaters übernahm und daneben für das Sheriff's Departement zu arbeiten begann.
Neu aufgelegt wird jetzt Band 4, «Flamingo». Die Bücher lassen sich zwar problemlos einzeln lesen, wer sie in der Reihe liest, geniesst als Bonus die Lebensgeschichte von Dave Robicheaux und seiner kleinen Familie. «Gewiss ist er kein perfekter Mann, er hat seine Schwächen und Sünden und Dämonen», sagt Burke über seinen Helden. «Aber er versucht, das Richtige zu tun. Wir alle wissen von uns selbst, wie schwierig oder beinah unmöglich so etwas manchmal werden kann.» In «Flamingo» wird Robicheaux bei der Überführung von zwei Gefangenen angeschossen. Nach seiner Genesung lässt er sich vom Sheriff für einen abenteuerlichen Undercover-Job an die Drogenbehörde DEA ausleihen, weil er dabei in New Orleans gleichzeitig den Flüchtigen suchen kann, der ihn töten wollte.
Der Krimi-Plot sorgt für Spannung, ist in Burkes Büchern aber nicht das Wichtigste. Es geht in den Romanen um Gut und Böse, das sich nicht immer so klar unterscheiden lässt, um menschliche Dramen und Tragödien. Aber auch um gesellschaftliche Themen wie die Zerstörung der Natur, Rassismus, Drogen, sexuelle und andere Ausbeutung, Korruption und vieles mehr. So reflektieren die Bücher immer auch das aktuelle Amerika; gespannt sind wir diesbezüglich auf den 21. Band, der Anfang 2018 in den USA erscheinen wird. Gleichzeitig sind es Romane mit Herz und Seele; Burke schreibt mit Herzblut, nicht mit kommerziellem Kalkül. Die regionale Verankerung verleiht den Geschichten Authentizität – und führt die Leser in die Welt im Süden Louisianas ein, diesen faszinierenden Schmelztiegel verschiedener Kulturen. In seiner kraftvollen Sprache, die gleichzeitig poetisch und hart sein kann, erzählt Burke von Menschen, Landschaften und Kulturen der Region, von den Naturgewalten und von menschlicher Gewalt. Und mittendrin Dave Robicheaux, der versucht, das Richtige zu tun. Dass seine Vorstellung von Gerechtigkeit sich nicht immer deckt mit dem Recht, das er vertreten sollte, sorgt immer wieder für Konflikte mit seinen Vorgesetzten.
Burke ist inzwischen 80 Jahre alt und haut immer noch einen Wälzer nach dem anderen heraus. Als er kürzlich in einem Interview gefragt wurde, ob er nicht langsam etwas kürzertreten wolle, meinte er: «Aufhören zu schreiben, wäre für mich, wie aufhören zu atmen.»
Die Wertung:
Der Autor: James Lee Burke, geboren 1936 in Houston, Texas, wuchs im Grenzgebiet von Texas und Louisiana an der Golfküste auf. Er studierte Literatur an der University of Louisiana in Lafayette und an der University of Missouri in Columbia. Er veröffentlichte in den 1960er-Jahren seine ersten Bücher, die von der Kritik gelobt wurden. Doch für sein viertes Buch, «The Lost Get-Back Boogie», bekam er in den 1970ern nur Absagen (nachdem es 1986 doch noch erschien, wurde es für den Pulitzer-Preis nominiert), und es dauerte 13 Jahre, bis er sein nächstes Buch veröffentlichen konnte. Burke arbeitete derweil in verschiedenen Jobs, unter anderem als Lastwagenfahrer und als Reporter, als Sozialarbeiter in Los Angeles und in einem Arbeitsprogramm für arbeitslose Jugendliche in Kentucky. In den 1980ern lehrte er kreatives Schreiben an der Wichita State University in Kansas. 1987 startete er mit «Neon Rain» die Robicheaux-Serie, die inzwischen 20 Romane umfasst, von denen 14 auf Deutsch erschienen sind; die ganze Reihe wird bei Pendragon neu aufgelegt. Mit Robicheaux hatte Burke erstmals grossen Erfolg, und er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Eine andere Reihe, die derzeit im Heyne-Verlag auf Deutsch erscheint, ist der texanischen Familie Holland gewidmet. Insgesamt veröffentlichte Burke bisher mehr als drei Dutzend Bücher. Er lebt in Lolo in der Nähe von Missoula in Montana und, wie sein Held Dave Robicheaux, in New Iberia in Louisiana. Er hat vier erwachsene Kinder; seine Tochter Alafair Burke schreibt ebenfalls Krimis.

James Lee Burke: «Flamingo» (Original: «A Morning for Flamingos». Little, Brown and Company, Boston, 1990). Aus dem Amerikanischen von Oliver Huzly. Pendragon-Verlag, Bielefeld, 2017. 480 S., ca. 25 Fr. Die weiteren Bände im Pendragon-Verlag: «Neonregen» (1), «Blut in den Bayous» (2), «Schmierige Geschäfte» (3), «Weisses Leuchten» (5; erscheint im November), «Mississippi Jam» (7), «Strasse der Gewalt» (13), «Sturm über New Orleans» (16)
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