Eine Lesbe sorgt für Aufregung
Die Schlagzeilen sind garantiert: Erstmals soll mit der bisherigen Verwaltungsministerin Ana Brnabic eine sich offen zu ihrer Homosexualität bekennende Frau die Regierung Serbiens übernehmen.

Seiner Verärgerung über die Kür einer Lesbe zur Regierungschefin lässt zumindest der prominenteste Schwulenkritiker in Serbiens Regierungslager freien Lauf. «Ana Brnabic ist nicht mein Premier», erklärte Dragan Markovic Palma kurz und knapp zur Nominierung der bisherigen Verwaltungsministerin als neue Regierungschefin des Balkanstaats.
Zuvor hatte der Chef der mitregierenden Regionalpartei JS wiederholt erklärt, dass ein serbischer Regierungschef ein Hausherr sein müsse, der wisse, «was eine Familie und was Kinder sind».
Die Schlagzeilen sind Serbiens künftiger Premierministerin schon vor Amtsantritt garantiert. Mit der parteilosen Wirtschafts- und Verwaltungsfachfrau soll erstmals auf dem Balkan eine sich offen zu ihrer Homosexualität bekennende Lesbe die Regierungsgeschäfte übernehmen.
Widerstand der Kirche
Trotz Widerständen der Serbisch-Orthodoxen Kirche und in den Reihen seiner nationalpopulistischen Regierungspartei SNS hat sich Serbiens allgewaltiger Staatschef Aleksandar Vucic für die proeuropäische, aber politisch eher unerfahrene Senkrechtstarterin als seine Nachfolgerin auf dem Premierposten entschieden: Die 41-Jährige gilt als fachlich kompetent, international gut vernetzt, ist über Serbiens berüchtigten Parteiensumpf erhaben – und ihm, Vucic, absolut loyal ergeben.
Sie danke dem Präsidenten für das «ungeheure Vertrauen», sagte Brnabic, die vom Parlament noch bestätigt werden muss. Es sei ihr eine Ehre, ihrem Land zu dienen, so die Frau, die sich erst vor neun Monaten auf Serbiens glitschiges Politparkett wagte.
Vor allem in der SNS, in der sich mehrere von Vucics Parteivasallen Hoffnung auf dessen Premiererbe gemacht hatten, soll es kräftig rumoren. Dagegen reagierte nicht nur Serbiens geplagte Homoszene begeistert auf den Karrieresprung ihrer Ikone. «Brnabic ist die richtige Wahl», jubiliert die proeuropäische Zeitung «Blic», die sich von ihr eine «Neubelebung» von Serbiens Politlandschaft erhofft.
Tatsächlich unterscheidet sich die von Medien und Kollegen als angenehm und offen in der Kommunikation geschätzte Brnabic von den Politgladiatoren ihres Heimatlands vor allem in einem Punkt: Karriere hatte die in Belgrad geborene und in den USA und Grossbritannien studierte Verwaltungsfachfrau schon vor ihrem Wechsel in die Politik gemacht.
Ob als Projektleiterin der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID oder als Direktorin einer US-Windkraftfirma in Serbien: Von früheren Arbeitgebern wird die fliessend Englisch und Russisch sprechende Brnabic stets als fachkundige Teamplayerin gepriesen.
Begrenzter Spielraum
Die Nominierung von Brnabic wird dem wegen seiner autoritären Züge oft kritisierten Vucic neue Pluspunkte bei den EU-Partnern bescheren. Gleichzeitig hat der Schachliebhaber mit ihrer Kür die zerstrittenen Diadochen seiner eigenen Partei vorläufig ausgespielt.
Zudem dürfte seine Statthalterin der Opposition nur wenig Angriffsfläche bieten. Ihr Spielraum ist laut Vucic jedoch auf die Wirtschaft begrenzt: Den «Grossteil der Politik» der Regierung werde Aussenminister Ivica Dacic führen.
Vucic zieht die Fäden
Tatsächlich hält der machtbewusste Vucic die Zügel der Regierung auch nach seinem Wechsel ins Präsidentenamt fest in der Hand. Brnabic werde nur eine «von vielen Wesiren» im Sultanat von Vucic sein, ätzt Dragan Sutanovac, der Chef der oppositionellen DS.
Deren Nominierung sei eine «kurzfristige Lösung» bis zu den nächsten vorgezogenen Wahlen – eine Lösung, die nur gut für Vucic, aber «schlecht für Serbien» sei, orakelte düster der Ökonom Miroslav Prokopijevic: «Die neue Regierung wird schwach und von kurzer Dauer sein.»
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