Eine literarische Reise nach Jerusalem
Zum 14. Mal lud das Thuner Literaturfestival Literaare zum Zuhören und Mitdiskutieren ein. Während drei Tagen wurden die Gäste immer wieder überrascht und in fremde Welten entführt.

Plötzlich ertönt eine laute Glocke. Das ist das Zeichen! Saskia Winkelmann beginnt zu lesen. «Ich habe Jonas in einem Schwimmbad kennen gelernt. Er konnte schwimmen wie ein Otter. Mir ist das Lachen stecken geblieben, wenn ich ihn verloren hatte an das Becken, bis er an einer Kante weit hinten oder vor mir aufgetaucht ist», liest sie und ist damit schon mitten in der Geschichte.
Gemeinsam mit Anaïs Meier, Mirko Beetschen, Sarah Elena Müller, Renato Kaiser, Patrick Savolainen und Christian Reimann, Gewinner des 3-Länder-Schreibwettbewerbs, nahm sie am Samstagabend im Rahmen des 14. Thuner Literaturfestivals Literaare an einer Art Reise nach Jerusalem teil. «Jede Autorin und jeder Autor bekommt je zehn Minuten Zeit, um vorzulesen.
«In jedem Raum hat die Lesung nach zehn Minuten wieder einen anderen Charakter erhalten.»
Läutet die Glocke, geht die Reise weiter», erklärte Moderator Donat Blum den Ablauf des Abends in der Konzepthalle. Das etwas unkonventionelle Konzept des Anlasses mit dem Namen «Stimmen von Thun» ist eine Neuheit im Programm des Thuner Literaturfestivals. «In jedem Raum hat die Lesung wieder einen anderen Charakter erhalten», sagt Literaare-Gründerin Tabea Steiner. «Das hat auch den Besucherinnen und Besuchern sehr gefallen.»
Wie Speeddating
Was die sieben Autorinnen und Autoren vorlasen, war ihnen selber überlassen. Anaïs Meier liess ihr Publikum die Texte mithilfe von gleich aussehenden Couverts wählen, Patrick Savolainen las aus seinem mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichneten Buch «Farantheiner» vor, und Renato Kaiser setzte sich in seinen Texten mit der liberalen Drogenpolitik der FDP und der verlegten Leiche Khashoggis auseinander.
Mirko Beetschen, der in Sundlauenen aufgewachsen ist, entschied sich für einen Ausschnitt aus seinem Buch «Bel Veder», einer Gothic Novel, die in einem Grand Hotel in Mürren spielt (ein derzeit jeden Tag in dieser Zeitung in kleinen Leseportionen publizierter Roman). «Die Idee zum Buch kam mir in einem Traum, als ich zwei der Schlüsselszenen träumte. Ich wusste danach, dass ich daraus eine Gothic Novel machen muss», sagt Beetschen.
Um nicht zu viel von der schaurigen Geschichte preiszugeben, las er dem immer wieder wechselnden Publikum aus den ersten Kapiteln des Buches vor. «Es ist wichtig, dass ich nicht zu viel verrate», sagt er. «Dass man immer nur zehn Minuten lesen kann, macht es aber spannend. Es fühlt sich ein wenig wie Speeddating an.»
Nötige Intimität
Saskia Winkelmann las aus ihrem Manuskript. Anders als die anderen Texte ist ihr Roman noch gar nicht veröffentlicht. «Schreiben ist ein sehr einsamer Prozess, deshalb tut es manchmal gut, den noch nicht fertigen Text mit anderen zu teilen», erklärt Winkelmann, die in Thun geboren und aufgewachsen ist.
In ihrem Roman, der von zwei jungen Männern handelt, die sich in ihrer Freundschaft gegen die Welt verbünden, versucht der Erzähler nach dem Tod seines Freundes zu erklären, was passiert ist. «Es ist eine fast schon fiebrige Ich-Erzählung, die auch eine Rechtfertigung sein soll», sagt die Autorin. «Durch das eher kleine Publikum konnte in diesen zehn Minuten aber trotzdem die intime Atmosphäre entstehen, die der Text braucht.»
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