Elf Gremien – und noch mehr Prioritäten, Haltungen und Ängste
In einem Monat entscheidet sich, ob die Verhandlungen um die grösste Gemeindehochzeit im Kanton weitergeführt werden – und in welchem Umfang. Im Bipperamt gehen die Meinungen auseinander, auch die Exekutiven sind sich nicht einig.

«Mehrheitlich empfiehlt der Gemeinderat den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern von Wangen an der Aare, ein Ja zur Weiterführung der Fusionsabklärungen in die Urne zu legen.» Das ist in einer Medienmitteilung der Gemeinde zu lesen. «Es ist tatsächlich so, dass wir uns innerhalb des Gremiums nicht einig sind», sagt Gemeindepräsident Fritz Scheidegger (SVP) auf Anfrage. Ihm liege viel daran, offen und ehrlich zu kommunizieren, daher dieser eher unübliche Wortlaut. «Es ist normal, dass dieses Thema viel zu diskutieren gibt. Vor allem die Grösse des Perimeters wird hinterfragt», ist sich Scheidegger bewusst.
Als Co-Präsident der Interkommunalen Arbeitsgruppe (IKA) steht er voll und ganz hinter dem Projekt. Er hofft bei der Abstimmung am 24. September auf eine hohe Beteiligung und ein eindeutiges Resultat.Auch die Mitglieder des Gemeinderats von Wiedlisbach haben unterschiedliche Meinungen zum Fusionsprojekt, wie Gemeindepräsident Martin Frank (BDP) bestätigt. Wie im benachbarten Wangen empfiehlt die Exekutive von Wiedlisbach der Stimmbevölkerung mehrheitlich ein Ja zur Weiterführung der Fusionsabklärungen.
Einige Gemeinden haben derzeit keinen Druck
Ebenfalls nicht einig ist sich der Gemeinderat von Attiswil. «Wir sind noch am Diskutieren», sagt Gemeindepräsident Gaudenz Schütz (SVP/parteilos). Er tue sich selber schwer mit einer Entscheidung. «Je nach Gewichtung der Themen geht es in die eine oder in die andere Richtung», so Schütz. Der Wegfall der Gemeindeverwaltung sei ein schwerwiegender Punkt, denn Attiswil verfüge über keinen grossen Bezug zu Wangen oder Niederbipp, wo der Verwaltungsapparat nach der Fusion seinen Platz finden würde. Zudem habe Attiswil derzeit keinen Druck: «Wir finden genügend Leute für die Ämter, und auch unsere Finanzen sind gesund.»
Andererseits kann Gaudenz Schütz dem Fusionsprojekt auch Gutes abgewinnen, wie die Professionalisierung der gesamten Verwaltung: «Zum Beispiel hätten Bauherren bei einer professionellen Bauabteilung eine ständige Ansprechperson.» Der Gemeinderat werde das Pro und Kontra im Rahmen des Meinungsfindungsprozesses noch abwägen müssen. Für den Gemeindepräsidenten steht aber fest: «Wenn wir als einzige Gemeinde nicht mitmachen würden, wäre das schon komisch.»
Eine Stimmfreigabe istüberhaupt keine Option
Einstimmig gegen das Fusionsprojekt äussert sich der Gemeinderat von Oberbipp. Die Exekutive des 1700-Seelen-Dorfes habe das Dafür und Dagegen des vorliegenden Projekts sorgfältig abgewogen, sagt Gemeindepräsident Thomas Beer (SVP). Zum Schluss hätten die Nachteile indes die Oberhand gewonnen. «Der Gemeinderat ist nicht generell gegen eine Fusion, sondern schlicht gegen das vorliegende Projekt», stellt Beer klar.
Man befürchte insbesondere den Verlust der direkten Demokratie aufgrund des grossen Perimeters. Zudem bringe das Projekt aus finanzieller Sicht keine Besserung, sondern vielmehr eine Verschlechterung für Oberbipp. «Wir wollen unserer Bevölkerung gegenüber eine klare Position beziehen, Stimmfreigabe war überhaupt keine Option», betont der Gemeindepräsident.
Thomas Beer ist sich seiner Doppelfunktion – einerseits als Gemeindepräsident von Oberbipp, andererseits als IKA-Mitglied – durchaus bewusst: «Ich trage zwei verschiedene Hüte.» Wie Beer sind auch alle anderen Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten der Subregion Mitglied in der Interkommunalen Arbeitsgruppe und somit in einer Doppelfunktion tätig. Da das Kollegialprinzip in beiden Gremien gelte, müsse er sich als Gemeindepräsident gegen und als IKA-Mitglied für das Projekt äussern, sagt Thomas Beer.

Das Zünglein an der Waage zieht mit
Der Gemeinde Niederbipp kommt in den ganzen Fusionsabklärungen eine besondere Rolle zu. Mit über 4800 Einwohnern könnte sie die Abklärungen allein zum Kippen bringen, da die fusionierte Grossgemeinde eine Mindestgrösse von 11 000 Einwohnern ausweisen sollte.
Das Niederbipper Gremium empfiehlt der Bevölkerung aber, ein Ja in die Urne zu legen. In einer intensiven Klausur sei der Gemeinderat zum Schluss gekommen, dass eine Fusion für Niederbipp mehr Vor- als Nachteile mit sich bringe, wie Gemeindepräsidentin Sibylle Schönmann (SVP) sagt. Auch sie erachtet die Professionalisierung der Verwaltung als eine gute Sache. Die Finanzen seien aber nach wie vor ein wichtiges Thema für Niederbipp, erklärt die Gemeindepräsidentin weiter. Denn durch eine Fusion würde der Steuerfuss im Dorf steigen, es entstünden Mehrausgaben von rund 1,7 Millionen Franken pro Jahr.
Unterschiede bei den kleinen Gemeinden
Die kleinsten Gemeinden der Subregion Oberaargau Nord sind dem Fusionsprojekt gegenüber unterschiedlich eingestellt. Die Gemeinderäte von Wolfisberg und Wangenried sind guter Dinge. «Wir können allein gar nicht mehr funktionieren», sagt etwa Ulrich Leuenberger, Gemeindepräsident von Wolfisberg. Bei 184 Einwohnern sei es schwierig, überhaupt noch Leute für die Besetzung der Ämter zu finden. Und auch die Steuereinnahmen seien dementsprechend gering. Dasselbe Problem habe Wangenried, sagt Gemeindepräsident Urs Freudiger: «Daher sind wir uns im Gemeinderat einig, wir sind klar für eine Fusion.»
Ganz anders klingt es bei Christine Stampfli, Gemeindepräsidentin von Walliswil bei Niederbipp: «Wir haben einheitlich ein Nein als Stimmempfehlung beschlossen.» Es sprächen mehrere Gründe gegen das Fusionsprojekt, ausschlaggebend seien aber die Steuern gewesen. «Wir müssten 16,5 Prozent mehr Steuern bezahlen», sagt Stampfli.
Trotz Ängsten ist die Berggemeinde dafür
In einer Sitzung am Montagabend hat der Gemeinderat von Rumisberg entschieden, seinen Stimmberechtigten ein Ja zur Weiterführung des Fusionsprojekts zu empfehlen. «Zurzeit geht es uns zwar noch gut, wir wissen aber nicht, wie es in 10 bis 15 Jahren aussieht», sagt Gemeindepräsident Paul Ischi dazu. Er gehe davon aus, dass die Einwohnerzahl in Rumisberg in den nächsten Jahren steigen werde. Um Chargen zu besetzen, würden sich aber zu wenige Leute zur Verfügung stellen. «Dieses Problem haben nicht nur wir», weiss Ischi. Nichtsdestotrotz hat er die Befürchtung, dass Rumisberg als Kleinstgemeinde nach einer allfälligen Fusion in diesem Perimeter «weg vom Fenster sei».
Aus einer Mitteilung der Gemeinde Farnern geht hervor, dass der Gemeinderat auf einen Antrag verzichtet und auf Stimmfreigabe setzt. Beatrice Wagner, Gemeindepräsidentin von Walliswil bei Wangen, war für eine Stellungnahme über längere Zeit nicht zu erreichen. Vizepräsident Rudolf Haas wollte keine Auskunft erteilen.
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