US-Aussenminister Antony BlinkenEr kämpft für eine Allianz mit Europa
US-Aussenminister Antony Blinken ist ein überzeugter Transatlantiker. Er glaubt an die Rolle der USA als Ordnungsmacht in der Welt – in enger Zusammenarbeit mit den Europäern. Diese Woche besucht der Diplomat Brüssel.

Jeder amerikanische Diplomat kennt die Geschichte von John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow. Der US-Präsident traf den Sowjetführer im Juni 1961 in Wien, und Chruschtschow nutzte die Gelegenheit, um dem amerikanischen Kollegen, der gerade erst ins Amt gekommen war, ein wenig Angst einzujagen. «Ich habe ihm gesagt, dass ein Atomkrieg binnen zehn Minuten 70 Millionen Menschen töten würde», erzählte Kennedy später. «Und er hat mich angeschaut, als wollte er sagen: Na und?» Kennedys Fazit des Treffens: «Er hat mich kräftig durchgeprügelt.»
Man hört diese Anekdote derzeit zuweilen in Washington, wenn man mit Aussenpolitikern über das Treffen zwischen hochrangigen Vertretern der USA und Chinas vorige Woche in Alaska redet. Auch die Gesandten aus Peking nutzen dort die Gelegenheit, um eine frisch ins Amt gekommene US-Regierung durch ungewöhnlich harsche und öffentliche Kritik einzuschüchtern. Den Part von Kennedy spielte in Anchorage allerdings nicht Präsident Joe Biden, sondern Antony Blinken, der neue Aussenminister der Vereinigten Staaten.
Sein Vater war Botschafter in Ungarn
Dass Antony John Blinken irgendwann dieses Amt innehaben würde, war absehbar. Sein Vater Donald Blinken war US-Botschafter in Ungarn, ein Onkel von ihm war US-Botschafter in Belgien. Nach der Scheidung seiner Eltern wuchs Blinken zum Teil in Frankreich auf, wo sein Stiefvater Samuel Pisar, ein renommierter Anwalt und Holocaust-Überlebender, für die Vereinten Nationen arbeitete. Nach der Schule studierte Blinken in Harvard und an der Columbia University, 1988 macht er einen Abschluss in Jura.
Seit 1994 gehört der 58 Jahre alte Blinken fest zum aussenpolitischen Establishment der Demokraten in Washington. Er hat im nationalen Sicherheitsrat für Präsident Bill Clinton gearbeitet, später dann für den Auswärtigen Ausschuss im Senat, dem damals ein gewisser Joe Biden angehörte. In der Obama-Regierung diente Blinken zunächst dem zum Vizepräsidenten aufgestiegenen Biden als Sicherheitsberater, danach Präsident Barack Obama als stellvertretender Sicherheitsberater und stellvertretender Aussenminister.
Die Trump-Jahre verbrachte Blinken in einer Art politischem Exil, das allerdings durchaus lukrativ war: Er gründete mit anderen demokratischen Aussen- und Sicherheitspolitikern ein Beratungsunternehmen, wurde Partner einer Finanzbeteiligungsfirma und machte sein Wissen und seine Kontakte zu Geld. Als Biden Ende 2020 sein Kabinett zusammenstellte und sich nach einem Aussenminister umsah, war es keine grosse Überraschung, dass sein Blick auf seinen langjährigen Mitarbeiter und Freund Tony Blinken fiel.
Blinken unterstützt die europäische Einigung; den Austritt Grossbritanniens aus der EU hat er als «totales Schlamassel» bezeichnet.
Leute in Washington, die Biden und Blinken kennen, betonen oft, wie ähnlich die beiden denken. Blinken ist – genau wie der Präsident – ein traditioneller amerikanischer Aussenpolitiker. Er glaubt an die Rolle der Vereinigten Staaten als Ordnungsmacht in der Welt und als Schutzmacht von Demokratie und Menschenrechten. Zudem ist er wie Biden ein überzeugter Transatlantiker. Blinken ist der Ansicht, dass die Allianz mit Europa die USA stärker macht. Er unterstützt die europäische Einigung; den Austritt Grossbritanniens aus der EU hat er als «totales Schlamassel» bezeichnet.
Insofern dürfte Blinkens Besuch in Europa in dieser Woche deutlich freundlicher ausfallen als das eisige Treffen mit den Chinesen. In Alaska wurde Blinken, um Kennedy zu zitieren, kräftig durchgeprügelt – und er sah dabei, wenn man ehrlich ist, nicht gut aus. Der Minister war sichtlich überrumpelt von dem aggressiven Ton, seine improvisierte Antwort auf die chinesische Kritik fiel mau aus. In Brüssel dagegen wird Blinken mit offenen Armen empfangen werden. Die europäischen Nato-Partner sind heilfroh, dass in Washington endlich wieder ein Präsident regiert, der sie nicht wie Trump als Schmarotzer beschimpft.
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