Zum Tod von Wolfgang PetersenEr machte «Das Boot» zum Welterfolg
Der Regisseur des deutschen Klassikers und zahlreicher Hollywood-Blockbuster wie «Outbreak» oder «Air Force One», ist tot. Er starb mit 81 Jahren in Los Angeles.

Der Regisseur Wolfgang Petersen erzielte seine ersten grossen Erfolge mit dem «Tatort», als brillanter Filmerzähler mit Sinn für Dramatik und herausfordernde, bisher nicht gesehene Stoffe. Schnell galt er auch als Meister technischer Innovationen, die teuersten und aufwendigsten deutschen Filme der Achtzigerjahre wurden ihm anvertraut: «Das Boot» und «Die unendliche Geschichte».
Das ermöglichte den Sprung nach Hollywood, wo er mehr als dreissig Jahren lang lebte und internationale Blockbuster wie «In The Line of Fire», «Outbreak», «Air Force One» und «Troja» schuf. Wie seine Produktionsfirma Radiant Productions am Dienstag mitteilte, starb er bereits am vergangenen Freitag friedlich in den Armen seiner Frau Maria in seinem Haus in Brentwood, Los Angeles, an den Folgen einer Bauchspeicheldrüsenkrebs-Erkrankung. Er wurde 81 Jahre alt.
«In den Siebzigerjahren war man in Deutschland ein Künstler, wenn man am Theater war», hat Petersen einmal erzählt, und fast wäre er ein solcher Künstler geworden. Seine erste Regiearbeit absolvierte er am «Jungen Theater Hamburg», zunächst bei Kinderaufführungen, arbeitete als Regieassistent und Schauspieler und begann 1965 ein Studium der Theaterwissenschaft in Berlin und Hamburg. Wohl hat er sich dabei durchaus gefühlt – er hatte aber einen noch älteren Traum, der zugleich viel grösser war.
Schon mit zwölf Jahren wollte Petersen, der 1941 in Emden als Sohn eines Marineoffiziers geboren wurde, Regisseur werden. Für stolze 219 Mark, erinnerte er sich, schenkten ihm seine Eltern eine Super-8-Kamera. Im Pfarramt im Konfirmandenraum versuchte er dann aber nicht, deutsche Filme nachzustellen, sondern gleich amerikanische Western.
Wie so viele seiner Generation erlebte er das Nachkriegsamerika als Land der Sehnsucht und der Grosszügigkeit: «Im Hafen von Emden kamen die amerikanischen Schiffe an, da fielen für uns immer tolle Sachen ab, Apfelsinen, Bananen», hat er erzählt. «Die Soldaten waren unglaublich freundlich zu uns Kindern.» Vor allem aber war und blieb Amerika das Ursprungsland der ganz grossen Kinogeschichten. Und keine Frage – zu diesen Geschichten wollte er hin.
Beim Fernsehen galt man als Handwerker, das störte ihn nicht
Der erste Schritt gelang ihm 1966, gleich im Gründungsjahr, mit der Aufnahme an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Der zweite war dann sein Start beim deutsche Fernsehen. Was allerdings den Verlust einer gewissen Hochnäsigkeit mit sich brachte – im Fernsehen war man damals nicht Künstler wie am Theater, sondern Handwerker.
Petersen scherte das nicht, denn er verstand sich auch als solcher. Von Anfang der Siebzigerjahre an lieferte er zuverlässig «Tatorte», und seine finale Arbeit für die Reihe, die Folge «Reifezeugnis» mit der erst sechzehnjährigen Nastassja Kinski in einem verbotenen Lehrer-Schüler-Verhältnis, gilt bis heute als zweiterfolgreichster «Tatort»-Fall überhaupt.
Ein heisses Eisen ausserhalb der Serienformate war noch im selbem Jahr das Fernsehdrama «Die Konsequenz» mit Jürgen Prochnow, das nicht nur von homosexueller Liebe erzählte, sondern von der «Verführung Unmündiger zu widernatürlicher Unzucht», wie es damals strafend hiess – zugleich einer der wenigen Filme, wo er auch selbst das Drehbuch schrieb.
Petersen wollte zeigen, wie die beiden Protagonisten am Unverständnis und Hass der Gesellschaft zerbrechen, ein sehr persönliches Anliegen. Dass es überzeugend gelang, sah man auch daran, dass der Bayerische Rundfunk die Erstausstrahlung im Jahr 1977 boykottierte. Schon vorher hatte er grosse Fernseh-Events geliefert, etwa das ökologisch fast hellsichtige Umweltkatastrophen-Drama «Smog» (1973).
So war Petersen die natürliche Wahl, als der WDR-Visionär Günter Rohrbach zur Bavaria wechselte und dort die Rechte für Lothar-Günther Buchheims Bestseller «Das Boot» vorfand – dessen Verfilmung allerdings nicht recht gelingen wollte. Wie zeigt man die Männer des deutschen U-Boot-Kriegs sowohl in der hektischen Klaustrophobie ihrer Tauchgänge als auch über Wasser, von Wellen und Sturm umtost? Unmöglich, hiess es zunächst, bis Petersen anpackte und mit den genialen Mitstreitern Jost Vacano (Kamera) und Rolf Zehetbauer (Szenenbild) überzeugende Lösungen fand.
Clint Eastwood konnte wählen – und er wollte Petersen
Ihre technische Brillanz, kombiniert mit zotteligem Realismus und haarsträubenden Spannungsbögen, erregte Aufsehen bis nach Hollywood – «Das Boot» wurde Talk of the Town bei der Oscarverleihung 1983, und Petersen wollte eigentlich gleich dort bleiben. Das verhinderte aber sein Freund Bernd Eichinger, der mit dem noch grösseren Nachfolgeprojekt «Die unendliche Geschichte» in Schwierigkeiten war.
Mit Helmut Dietl, eigentlich für die Regie vorgesehen, ging zwar immer a bissl was, aber nicht so ein Riesending – er sprang ab, Petersen sprang ein. Der literarische Schöpfer Michael Ende mochte den fertigen Film dann nicht, seither aber Generationen von Kindern und Familien – und vom längst verstaubten Kuschelfell des Glücksdrachen Fuchur zehrte die Bavaria Filmtour noch Jahrzehnte später.
Dann ging es wirklich in Hollywood los, und zwar vor allem deshalb, weil Clint Eastwood gerade einen Hang zu europäischen Regisseuren entwickelte. Für sein Projekt «In the Line of Fire», wo er sich als Leibwächter in die Schusslinie des US-Präsidenten wirft, konnte er anheuern, wen er wollte – und er wollte Petersen.
Der wiederum träumte schon lange vom Clash grosser Kräfte, vom cinematografischen Endkampf Mann gegen Mann: «Dieses Mano-a-Mano von zwei starken Gegnern, das ist einfach mein Ding», bekannte er einmal, und so inszenierte er auch Clint Eastwood gegen John Malkovich. Ein grosser Kassenerfolg, weiteren amerikanischen Blockbustern stand nichts mehr im Weg.
Er fand, dass seine Glückssträhne erstaunlich lang hielt
Tatsächlich erkennt man Petersens Hang zu Duellen auch in der Wahl der weiteren Stoffe, «Troy» zum Beispiel – gibt es einen grösseren Endkampf als bei Homer, zwischen Achilles (ein fast aberwitzig aufgepumpter Brad Pitt) und Hektor vor den Toren Trojas? Petersen war immerhin einer, der sich noch als Gymnasiast in Hamburg eindeutig auf die Seite von Achilles geschlagen hatte, gleiches Schulwissen könnten heute die wenigsten Hollywood-Regisseuren vorweisen.
Zugleich wusste er, was er seiner Wahlheimat schuldig war, und erzählte so, dass ein Mangel an klassischer Bildung kein Nachteil war – im Gegenteil. Beim Öffnen des Trojanischen Pferds etwa ging er inszenatorisch voll auf den Überraschungseffekt – darauf vertrauend, dass schon kein Amerikaner mehr wissen würde, was da bei Homer drin versteckt ist.

Das ganz grosse Mano-a-Mano-Duell der Gegenwart, das wäre für Petersen schliesslich «Batman vs. Superman» gewesen – was sonst. An diesem absoluten Traumprojekt war er lange dran, aber als es schliesslich realisiert wurde, hatten in Hollywood schon andere das Sagen.
Vergönnt war ihm dennoch so einiges: Dustin Hoffman durfte er in «Outbreak» ins entschlossene Duell mit einer Pandemie schicken, was den Film zu Beginn der Corona-Lockdowns zurück in die Streamingcharts katapultierte; oder Harrison Ford in den Kampf mit Terroristen in «Air Force One», wobei die Tatsache, dass Fords Figur zugleich US-Präsident war, sich nicht wirklich als hinderlich erwies.
George Clooney schliesslich musste sich in «Der Sturm» mit Monsterwellen und tödlichen Windstärken messen und zog dabei sogar den Kürzeren, ohne dass es Petersens Zugriff auf die Blockbuster-Budgets gefährdet hätte. Das passierte erst nach einer weiteren Katastrophe auf See – seine «Poseidon» (2006) versank dann leider auch an den Kinokassen.
Danach war es vorbei mit den ganz grossen Hollywood-Geschichten, was Petersen aber als Lauf der Dinge akzeptierte. Eher sprach er davon, dass seine Glückssträhne doch erstaunlich lang gehalten hatte. Und an seiner Wahlheimat gefiel ihm nicht zuletzt, dass ihm die alte deutsche Frage, ob er nun eigentlich Handwerker oder Künstler sei, nicht mehr gestellt wurde.
«Ich habe immer beides gemocht – und auch beides gemacht», sagte er zu seinem 80. Geburtstag. «Mir gefällt sehr gut, dass die Amerikaner nicht diesen Dünkel haben und Kunst und Unterhaltung nicht als etwas Gegensätzliches ansehen. Warum auch?»
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