Ex-Kammerdiener des Papstes kommt vor Gericht
Die vatikanische Justiz hat im Skandal um die Weitergabe vertraulicher Dokumente Anklage erhoben. Dem früheren Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. wird schwerer Diebstahl vorgeworfen.

Der ehemalige Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. muss sich wegen schweren Diebstahls vor Gericht verantworten. Dem im Mai festgenommenen Paolo Gabriele drohen im Falle einer Verurteilung bis zu sechs Jahre Haft. Die Anklageschrift wirft ausserdem einem weiteren Angestellten des Vatikans Beihilfe zu der Tat vor.
Die sogenannte Vatileaks-Affäre hatte zu Beginn des Jahres für Schlagzeilen gesorgt und unter anderem die Machtkämpfe im Umfeld des Papstes beleuchtet. Bisher hatte der Kirchenstaat erklärt, dass nur gegen eine Person ermittelt werde. Wie der Vatikan-Sprecher Federico Lombardi mitteilt, wurde wenige Stunden nach der Festnahme des Kammerdieners am 24. Mai aber auch das Büro des Computerexperten Claudio S. durchsucht.
Von Aufgaben entbunden
Für eine Anklage wegen Diebstahls reichten die Vorwürfe gegen ihn nach Angaben des vatikanischen Richters Piero Antonio Bonnet aber nicht aus. Nach einer Nacht in einer Sicherheitszelle sei Claudio S. im Mai wieder freigelassen worden, weil klar gewesen sei, dass er in der Affäre keine zentrale Rolle gespielt habe, sagte Lombardi. Er habe allerdings mit Gabriele in Verbindung gestanden. Von seinen Aufgaben im Vatikan sei er inzwischen entbunden worden.
Der Vatikan hat einen öffentlichen Prozess zu der Affäre angekündigt. Ein Termin wurde bisher nicht bekannt gegeben. Aus Kreisen des Heiligen Stuhls in Rom hiess es aber, mit einem Verfahren werde nicht vor Ende September gerechnet. Sollte Gabriele verurteilt werden, droht ihm eine Haftstrafe von bis zu sechs Jahren. Dies hänge allerdings auch von einer möglichen Begnadigung durch den Papst ab, sagte Lombardi. Für Spekulationen über ein mögliches Strafmass sei es daher noch zu früh.
Zugang zu päpstlichen Gemächern
Gabriele war am 23. Mai unter dem Verdacht festgenommen worden, vertrauliche Dokumente gestohlen und an die Presse weitergegeben zu haben. Darin wurden Korruption, Intrigen und Machtkämpfe in den höchsten Kreisen des Vatikans offenbar. Gabriele war seit 2006 der persönliche Diener Papst Benedikt XVI. und zählte zum engsten Kreis des päpstlichen Haushalts.
Als leitender Kammerdiener war es Gabriele, der Benedikt bei Tisch bediente. Er war es, der ihm seine Koffer packte für die Apostolischen Reisen. Er war es, der seine Aktentasche tragen durfte. Ein ungehinderter Zugang zu den päpstlichen Gemächern gehörte selbstverständlich dazu. Dass der Verdächtige psychische Probleme haben könnte, bestritt der Vatikan. Er habe aus rein persönlichen Gründen gehandelt, beteuerten seine Anwälte mehrfach.
In Gabrieles Wohnung fanden vatikanische Ermittler nach eigenen Angaben «einen Berg von Dokumenten» - darunter auch einen Scheck über 100.000 Euro, den der Papst für eine katholische Universität ausgestellt hatte.
Hartnäckige Gerüchte über weitere Quellen
Nach Angaben des Vatikans arbeitete der nach mehreren Wochen in einer Zelle in den Hausarrest verlegte ehemalige Kammerdiener zuletzt voll und ganz mit den Ermittlern zusammen. Er entschuldigte sich zudem in einem Brief beim Papst für sein Handeln. Dennoch tauchten immer wieder neue vertrauliche Dokumente in italienischen Medien auf. Das Gerücht, dass es weitere Quellen gebe, schien sich dadurch zu bestätigen.
Die Motive des früheren Kammerdieners liegen weiter im Dunkeln. Über einen «Eifersuchtskrieg der Deutschen» spekulierte etwa Ende Juli das römische Blatt «La Repubblica». Einigen Vatikan-Kennnern zufolge richtet sich die Affäre vor allem gegen den Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Der 77-Jährige steht in der Kritik wegen zahlreicher Medien-Pannen - etwa im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal oder dem Umgang mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson aus der erzkonservativen Piusbruderschaft. Der Papst hatte ein Gesuch Bertones auf Ruhestand vor zwei Jahren dennoch abgelehnt und sich hinter ihn gestellt.
dapd/bru
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