«Glück, dass er nicht pfiff»
Urs Meier hätte die Aktion von Steven Zuber wohl abgepfiffen. Doch der Schiedsrichter-Experte begrüsst die bisher klare Linie der Video-Schiedsrichter an der WM.
Es ist der Tag nach Brasilien-Schweiz, und natürlich weiss Urs Meier, warum sein Telefon immer und immer wieder klingelt. Meier steht am Bahnhof in Düsseldorf, «doch doch, ich habe Zeit», er muss auf den Zug, zurück nach Baden-Baden, wo er tags darauf schon wieder für das ZDF vor der Kamera steht. Der 59-Jährige frühere Spitzenschiedsrichter ist ein gefragter Mann, seit Jahren schon analysiert er für die Deutschen die Spielleiter im Fernsehen. Am Tag nach dem Schubser von Steven Zuber vor dessen Tor zum 1:1 gegen Brasilien gibt Meier Auskunft über die Schiedsrichter an der WM und die Linie der Video Assistant Referees (VAR).
Urs Meier, so ganz ohne TV-Bilder: Wie hätten Sie gestern in der strittigen Szene entschieden?
Das ist immer schwierig zu beurteilen, so von aussen. Ich hätte tendenziell ein Foul gepfiffen.
Die Sicht war gut, es war ein Eckball.
Der Schiedsrichter hat sich seine Meinung schnell gemacht. Es war ein konsequenter Entscheid. Aber aus Schweizer Sicht muss man sagen: Glück, dass er nicht pfiff.
Dennoch würden diese Aktion von zehn Schiedsrichtern bestimmt fünf bis sechs als Foul beurteilen.
Es ist halt eine Grauzone, nicht schlüssig zu beurteilen. Zuber macht das auch sehr «clever», mit gutem Timing. Die englischen Experten waren sich einig, während Béla Rethy im ZDF von einer «auf dem Niveau normalen» Aktion sprach. Im umgekehrten Fall würden wir Schweizer uns jetzt bestimmt auch beschweren.
Und warum hat das Team der Videoschiedsrichter nicht eingegriffen?
Weil sie die Situation nicht als dringlich genug eingestuft haben.
Es ging doch um ein Tor.
Die Frage ist halt: Wo fängst du an? Dann hätte man sich die Elfmeterszene mit Akanji und Jesus noch einmal angeschaut, dann die nächste, und so weiter. Darüber kann man sich nun eben streiten. Ganz allgemein erkenne ich aber bislang an dieser WM eine klare Linie der Videoschiedsrichter. Im Vergleich zum Saisonbeginn in der Bundesliga, als es in fast jedem Spiel mehrere Videokonsultationen gab, fahren die VAR an der WM eine zurückhaltendere Taktik. Sie lassen viel laufen, ebenso wie die Schiedsrichter allgemein.
Inwiefern?
Im Spiel Deutschland-Mexiko etwa wurden viele Zweikämpfe nicht abgepfiffen. Ich finde, in den bisherigen Spielen war eine solche Linie erkennbar. Und eine klare Linie begrüsse ich immer. Das verschafft Ruhe, und das ist schliesslich eine der Grundideen beim Videobeweis.
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