Gemeinden dürfen auf Kesb-Millionen hoffen
Die Berner Gemeinden können sich womöglich auf einen unerwarteten Geldsegen freuen: Der Kanton hat ihnen seit 2013 zu wenig Geld für den Kindes- und Erwachsenenschutz bezahlt. Diskutiert werden Nachzahlungen in Millionenhöhe.
Die Mehrheit der Berner Grossräte war sich einig, als sie per Anfang 2013 den Kindes- und Erwachsenenschutz neu organisierte. «Wer befiehlt, zahlt», so lautete das Motto während der politischen Debatte. Sprich, die Kosten müssten von nun an allein vom Kanton übernommen werden.
Denn die Gemeinden hätten nach der Einführung der kantonalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) auch keinen Einfluss mehr, hiess es. Somit hätte die zuständige Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK) den Kommunen seit 2013 den gesamten finanziellen Aufwand abgelten müssen, der nach wie vor bei ihnen anfiel – etwa durch das Abklären von Gefährdungsmeldungen.
Die Direktion von SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus jedoch legte das Gesetz anders aus, wie ein kürzlich publiziertes Verwaltungsgerichtsurteil zeigt. Bis heute hat sie den Gemeinden nicht die Vollkosten vergütet, sondern lediglich die Personalkosten. An die Infrastruktur oder den Sachaufwand bezahlte der Kanton nichts. Das hat sich die Gemeinde Köniz nicht bieten lassen und nun vor Gericht recht bekommen.
Wie ein Weihnachtsgeschenk
Das vorliegende Urteil betrifft die Abgeltung für das Jahr 2013. Damals erhielt Köniz 2,4 Millionen Franken für seine Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz. 800 000 Franken zu wenig, machte die Gemeinde geltend. Denn die Vollkosten würden 3,2 Millionen Franken betragen. Entsprechend müsse ihr die JGK den Fehlbetrag zurückerstatten. Darauf ging das Gericht zwar nicht ein.
Es wies die Beschwerde zur Neubeurteilung an den Kanton zurück, der diese vorgängig abgelehnt hatte. Die Richter hielten aber unmissverständlich fest, dass der Grosse Rat gewollt habe, dass der Kanton den Gemeinden die Vollkosten erstatte und nicht nur die Personalkosten. Die Verordnung, auf die sich die JGK bei der Bemessung der Beträge stütze, sei nicht gesetzeskonform.
«Für uns war das Urteil wie ein Weihnachtsgeschenk», sagt Thomas Brönnimann, Könizer Sozialvorsteher und GLP-Grossrat. Und es dürfte noch besser kommen für die Agglomerationsgemeinde: Die gleiche Beschwerde ist für die Jahre 2014, 2015 und 2016 beim Verwaltungsgericht noch hängig. Dass diese Entscheide anders ausfallen werden, ist unwahrscheinlich.
Aber nicht nur Köniz könnte vom Urteil profitieren. «Da es sich um eine Grundsatzfrage handelt, sollte der Kanton alle Gemeinden gleich behandeln und auch ihnen die Fehlbeträge zurückerstatten», sagt Brönnimann. Er geht davon aus, dass die JGK pro Jahr insgesamt rund 20 Millionen Franken zu wenig ausbezahlt hat. Auf vier Jahre hochgerechnet würde dies Rückzahlungen von 80 Millionen Franken bedeuten.
Kanton relativiert Zahlen
Von einem derart hohen Betrag spricht Gemeindedirektor Christoph Neuhaus (SVP) nicht. «Wir haben abklären lassen, welchen Anteil die Infrastrukturkosten an den gesamten Kosten haben sollten, und kamen auf zehn Prozent», sagt Neuhaus. Gemäss dieser Berechnung würden sich die Rückzahlungen auf 5,5 Millionen pro Jahr oder gesamthaft 22 Millionen Franken belaufen.
Sowieso sei aber noch unklar, ob tatsächlich alle Gemeinden rückwirkend höher entschädigt würden. Ebenso, wie hoch die Rückzahlungen an die Gemeinde Köniz tatsächlich sein werden. «Momentan wird das Urteil analysiert. Anschliessend entscheidet der Regierungsrat über das weitere Vorgehen», sagt Neuhaus. Klar sei einzig, dass ein Weiterzug «keinen Sinn ergibt».
Rückstellungen im Zusammenhang mit den Könizer Beschwerden hat die JGK keine gebildet. «Wir haben das Risiko rückblickend vermutlich zu tief eingeschätzt», sagt die zuständige Jugendamtschefin Andrea Weik. Deshalb werde ein Nachkredit unumgänglich sein. Weik rechtfertigt aber das Vorgehen des Kantons.
«Als 2012 das neue Gesetz vom Grossen Rat verabschiedet wurde, mussten wir innert kürzester Zeit ein Abgeltungssystem einführen.» Deshalb habe man sich in Absprache mit dem Verband Bernischer Gemeinden dafür entschieden, jenes der Sozialhilfe zu übernehmen – und dort werden nur die Personalkosten abgegolten.
Noch nicht berücksichtigt
Aufgrund der hängigen Beschwerden habe die JGK ab 2015 dann bereits begonnen, die entsprechende Verordnung zu überarbeiten. Seit 1. Januar ist nun ein neues Abgeltungssystem mit Fallpauschalen in Kraft.
Aber auch mit diesem werden die Infrastrukturkosten nicht entschädigt. Weik: «Wir wollten zuerst ein rechtsgültiges Urteil abwarten. Sollte sich der Regierungsrat nun dazu entscheiden, die Entschädigungen anzupassen, ist das dank der neuen Fallpauschalen einfach zu realisieren.»
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