Gletschersee - Noch ein Meter bis zum Überlaufen
Der Gletschersee ob Grindelwald füllt sich weiter. Es fehlt noch gut ein Meter, bis er vorne überläuft. Dieses Szenario ist im Moment laut Fachleuten am wahrscheinlichsten.
Damit stehen die Chancen gut, dass die befürchteten Überschwemmungen ausbleiben.
Vorne würde voraussichtlich nur soviel Wasser abfliessen, wie hinten in den See zufliesst. Diese Menge könnte die Lütschine problemlos aufnehmen. «Von Auge würde man das dem Fluss kaum ansehen», erklärt Nils Hählen vom kantonalen Tiefbauamt.
Pegel dürfte etwas sinken
Mit der Zeit würde das abfliessende Wasser eine Bresche in den Eis-Damm am vorderen Ende des Sees fressen. Das hätte zur Folge, dass sich der Seepegel, der aktuell bei gut 2,2 Millionen Kubikmetern liegt, etwas absenken würde.
Sollte die Erosion aber immer schneller vor sich gehen, würde immer mehr Wasser abfliessen und die Lütschine könnte dieses wohl nicht mehr schlucken.
In unmittelbarer Nähe des Flusslaufes käme es in diesem Fall wahrscheinlich zu Überschwemmungen bis aufs Bödeli. Diese wären vergleichbar mit einem weiteren Szenario, das laut Hählen immer noch denkbar, aber zur Zeit etwas weniger wahrscheinlich ist, mit der Spontanentleerung.
Unterirdischer Abfluss
Dabei frisst sich das Seewasser unterirdisch im Eis einen Weg frei. Im schlechteren Fall geschieht dies innert kürzester Zeit, was in der Lütschine zu Hochwasser führen würde. Im besseren Fall fliesst das Wasser gemächlich ab, ohne grosse Wirkung im Fluss. Bisher ist der Gletschersee immer unterirdisch abgeflossen.
Dass sich der See diesen unterirdischen Abfluss innert einem Tag noch schafft sei eher nicht zu erwarten, glaubt Hählen. Das Überfliessen an der Seeoberfläche hält er für das wahrscheinlichste Szenario. Beim aktuellen Pegel und Zufluss dürfte es am Dienstag soweit sein.
Immerhin scheint die Gefahr, die vom Abriss einer Moräne seitlich des Sees ausging, gebannt. Der grösste Teil des Abrisses glitt am Freitag brockenweise in den See und löste keine Entleerung aus. Der Rest des Abrisses dürfte keine grossen Auswirkungen haben. Die Behörden hatten wegen des drohenden Abbruchs die Bevölkerung im Lütschinental am Freitag alarmiert.
Bevölkerung gefasst
Diese hat sich inzwischen an den See gewöhnt, der sich seit einigen Jahren im Frühsommer jeweils füllt und wieder entleert, sagt der Regierungsstatthalter von Interlaken Walter Dietrich: «Wir wissen, dass die Natur unberechenbar ist.»
Auch die Touristen scheinen nicht über alle Masse beunruhigt. Das Naturschauspiel könnte sogar langfristig das Interesse an der Region ankurbeln, mutmasst der Gemeindepräsident von Grindelwald Emanuel Schläppi.
Mit einem Klimapfad, der im Juni eröffnet wird, sollen gerade auch Schulklassen für die Klimaveränderungen sensibilisiert werden. «Schliesslich erleben wir die die Auswirkungen davon nicht nur hier oben», betonte Schläppi.
Dispositiv bleibt
Auch wenn sich vorerst ein glimpflicher Ausgang abzeichnet, bleibt das Alarmierungsdispositiv bestehen. Die mobilen Hochwasserschutzschläuche wären innert weniger Stunden aufgebaut. Im Extremfall würde ein Teil des Flugplatzes Interlaken als Auffangbecken dienen, um das Dorf Bönigen vor Überschwemmungen zu schützen.
Aufatmen kann die Region im kommenden Frühling, wenn der Entlastungsstollen einsatzbereit ist, an welchem der Kanton zur Zeit baut. Dieser wird verhindern, dass sich zu viel Wasser im See staut.
SDA/js
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