Innerspanische Rivalität darf Terrorabwehr nicht bremsen
Ein Kommentar von Spanien-Korrespondent Ralph Schulze über die Bewältigung des Terrors in Katalonien.
Nach dem erfolgreichen Ende der Jagd auf den meistgesuchten Terroristen des Kontinents, den Terrorfahrer von Barcelona, atmen Spanien und ganz Europa auf. Der 22-jährige Terrorist Younes Abouyaaqoub war das letzte noch flüchtige Mitglied jener zwölfköpfigen Terrorzelle, die das Ferienland Spanien vergangene Woche mit Anschlägen in den katalanischen Tourismushochburgen Barcelona und Cambrils erschütterte.
Der spanischen Polizei gelang es nach der Attentatsserie, in wenigen Tagen die Terrorzelle komplett zu zerschlagen.Dies ist zweifellos ein grosser Fahndungserfolg. Und eine beruhigende Nachricht für jene Millionen Urlauber, die in diesen Tagen in Spanien ihre Ferien verbringen. Die effektive Arbeit der Sicherheitskräfte dürfte auch zu dem im spanischen Königreich vorherrschenden Gefühl beitragen, dass es dem Terror nicht gelingen wird, Spaniens Ruf als friedliche und sichere Tourismusnation zu zerstören. Das grosse Lob für die «hervorragende Arbeit», das Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy aussprach, hat sich Spaniens Polizei wirklich verdient.
Die Ermittlungen zeigten allerdings auch, dass diese Terrorzelle nicht aus der Ferne kam, sondern in Spanien heranreifte. Elf der zwölf Terroristen waren junge Männer nordafrikanischer Abstammung, mit marokkanischer und spanischer Staatsangehörigkeit, die in Spanien aufgewachsen und in ihrem katalanischen Dorf Ripoll verwurzelt waren. Sie gehörten zur zweiten Generation jener Immigranten, die vor Jahrzehnten als Arbeitskräfte in Landwirtschaft und Industrie angeworben worden waren. Bedenklich ist, dass der zwölfte Mann der Bande, der 44-jährige marokkanische Hassprediger Abdelbaki es Satty, in Spanien unbehelligt als Imam agieren und junge Muslime im Ort Ripoll radikalisieren konnte.
Auch die Sicherheitskräfte müssen sich fragen lassen, warum dieser religiöse Fanatiker durch das Überwachungsnetz schlüpfen konnte.Vor allem auf ihn und seine internationalen Verbindungen, die auch in die belgische Islamistenhochburg Vilvoorde vor den Toren Brüssels führen, werden sich die weiteren Ermittlungen nun konzentrieren. Eine Lektion, welche die Behörden aus den Terrorereignissen im nordspanischen Katalonien lernen müssen, ist jetzt schon klar: Fundamentalisten wie Abdelbaki es Satty, der von 2010 bis 2014 in einem spanischen Gefängnis sass und dessen Name früher schon im Zusammenhang mit anderen Terrorzellen in Spanien auftauchte, darf man nicht aus den Augen lassen. Sie müssen unter lückenloser Überwachung stehen.
Dass dies nicht ausreichend geschehen ist, hat möglicherweise auch mit den heftigen politischen Spannungen zwischen Spanien und der nun vom Terror getroffenen und nach Unabhängigkeit strebenden Region Katalonien zu tun.Es ist kein Geheimnis, dass der Informationsaustausch zwischen den katalanischen und den spanischen Sicherheitsbehörden unter Misstrauen und Rivalitäten leidet. Soweit diese Eifersüchteleien im aktuellen Fall tatsächlich die Überwachung der Extremisten im Vorfeld bremsten, wäre dies ein handfester Skandal. Und eine verhängnisvolle Ermittlungspanne, die sich nicht wiederholen darf.
ausland@bernerzeitung.ch
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