Internationale Rückendeckung für bedrängte Franzosen in Mali
Die französische Intervention im afrikanischen Land wird vom UNO-Sicherheitsrat gutgeheissen. Auch die USA und die EU sichern ihre Unterstützung zu. Derweil fällt eine weitere malische Stadt an die Islamisten.
Die Zukunft Malis steht auf des Messers Schneide, immer mehr Länder stützen die Regierungstruppen in ihrem blutigen Kampf gegen islamistische Rebellen – und dennoch rücken die Aufständischen weiter vor.
Der französische Kampfeinsatz in Mali wird nach Angaben Frankreichs vom UNO-Sicherheitsrat gutgeheissen. «Alle Mitglieder haben ihre Unterstützung für die französische Position ausgedrückt», sagte Frankreichs UNO-Botschafter Gérard Araud.
«Alle haben zudem anerkannt, dass wir uns hundertprozentig auf dem Boden des Völkerrechts bewegen», erklärte Araud nach einer Sondersitzung des mächtigsten UNO-Gremiums. Die Russen hätten gelobt, dass Frankreich genau im Sinne der UNO-Resolutionen handle.
Franzosen hoffen auf Hilfe afrikanischer Staaten
Araud bekräftigte, dass es für Paris Priorität habe, die Resolution 2085 umzusetzen, die eine Stationierung von Truppen afrikanischer Staaten in Mali sowie eine politische Lösung vorsieht. Die von Frankreich «Serval» getaufte Intervention habe zum Ziel, «den politischen Prozess voranzubringen», betonte der UNO-Botschafter.
Wie lange der Militäreinsatz dauern müsse, könne niemand sagen. Rasch müssten zusätzliche afrikanische Truppen eingesetzt werden, sagte Araud weiter: «Deren Oberbefehlshaber, ein nigerianischer General, ist schon in der Hauptstadt Bamako. Jetzt muss es darum gehen, möglichst schnell die Truppen in das Land zu verlegen.»
«Logistische Unterstützung» der USA
Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, sagte Frankreich Unterstützung zu. «Wir haben alle Vertrauen in Frankreich», sagte sie. Das französische Eingreifen habe «eine feste Grundlage» gehabt: «Die Franzosen sind glücklicherweise professionell mit der islamistischen Bedrohung umgegangen.»
Die USA bleiben aber skeptisch, was die Möglichkeiten der malischen Truppen und ihrer westafrikanischen Verbündeten angehe, den Norden zurückzuerobern, sagte Rice: «Die USA haben sich immer Fragen zur Ausführbarkeit des Konzepts gestellt.» Dieses müsse vollkommen überarbeitet werden, da sich die Verhältnisse verändert hätten.
Beim Kampfeinsatz wollen die USA Frankreich nach den Worten von Verteidigungsminister Leon Panetta «begrenzte logistische Unterstützung» zukommen lassen. Ausserdem könne man mit Geheimdienst-Informationen helfen, erklärte Panetta.
Ban Ki-moon unterstützt französische Intervention
«Wir haben die Verantwortung, dass wir garantieren, dass al-Qaida keine Operationsbasis in Nordafrika und Mali errichtet», sagte der Minister. US-Medien hatten zudem berichtet, die USA hätten auch den Einsatz von unbemannten Drohnen angeboten.
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon begrüsst die französische Militärintervention in Mali ebenfalls. Ban hoffe, dass der Einsatz die jüngste Offensive der Terroristen stoppe, teilte sein Büro mit.
Herbe Niederlage für französische Truppen
Gestern eroberten die Islamisten auf ihrem Feldzug in den Süden trotz heftiger Angriffe französischer Kampfjets die Ortschaft Diabaly und schickten düstere Drohungen nach Paris: Frankreich habe mit seiner Intervention die «Türen zur Hölle» aufgestossen, sagte ein Rebellenführer. Aus Berlin und Brüssel kamen Hilfszusagen, der Weltsicherheitsrat berät in einer Sondersitzung.
Trotz mehrerer Angriffswellen mussten die französischen Streitkräfte eine herbe Niederlage einstecken: Das in Zentralmali gelegene Diabaly sei nach heftigen Kämpfen mit den aus der Luft unterstützten Regierungstruppen in die Hände der Aufständischen gefallen, räumte der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian ein.
Damit nähern sich die Rebellen der strategisch wichtigen Gebietshauptstadt Segou. Sollten die Islamisten auch diese Ortschaft erobern, ist der Weg zur Hauptstadt Bamako für sie nicht mehr weit.
Frankreich liess vorsorglich alle seine Staatsbürger aus Segou evakuieren und schickte weitere 150 in der Elfenbeinküste stationierte Soldaten sowie gepanzerte Fahrzeuge zur Verstärkung nach Mali.
Auch in den Nachbarländern bereitet man sich auf das Schlimmste vor: Das nordwestlich von Mali gelegene Mauretanien versetzte seine Truppen in Alarmbereitschaft, im Süden verstärkte Burkina Faso die Grenzstreitkräfte und auch Algerien, das bislang gegen eine Intervention argumentierte, öffnete seinen Luftraum für die französischen Kampfjets.
Krisentreffen der EU-Aussenminister diese Woche
EU-Chefdiplomatin Catherina Ashton berief noch für diese Woche eine Krisensitzung der europäischen Aussenminister ein. Demnach soll die EU-Ausbildungsmission für die Streitkräfte Malis schneller starten. «Die Vorbereitungen werden beschleunigt, in der zweiten Februarhälfte oder Anfang März soll es losgehen», sagte Ashtons Sprecher.
Bis zu 250 Militärausbilder sollen die malischen Streitkräfte stärken, aber nicht selbst kämpfen. Ashton selbst stellte zudem finanzielle und logistische Hilfe für die afrikanisch geführte Unterstützungsmission AFISMA in Aussicht.
Deutschland und USA zeigen sich solidarisch
Deutschland wird sich nach Worten von Aussenminister Guido Westerwelle zwar nicht an einem Kampfeinsatz beteiligen, berät aber mit der französischen Regierung, «wie wir humanitär, medizinisch oder auch logistisch» helfen könnten. Sobald die Form der Unterstützung und damit auch eine mögliche Zustimmungspflicht des Bundestags feststehe, würden die Abgeordneten nötigenfalls konsultiert, sagte er im ZDF.
Solidarisch zeigen sich auch die USA, die den Franzosen nach Auskunft von Verteidigungsminister Leon Panetta nicht nur Geheimdienstinformationen zur Verfügung gestellt haben, sondern auch Transport- und Logistikhilfe aus der Luft in Erwägung ziehen.
Unterstützt werden die französischen Truppen schon von britischen Transportflugzeugen und US-Drohnen. Die malischen Rebellen stehen dem Terrornetzwerk al-Qaida nahe, weshalb Panetta mahnte: «Wir haben die Pflicht, sicherzustellen, dass al-Qaida keine Operationsbasis in Nordafrika errichtet.» Sein französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian hatte zuvor ebenfalls vor einem «Terrorstaat vor den Augen Frankreichs und Europas» gewarnt.
«Viel gefährlicher als Irak, Afghanistan oder Somalia»
Und die Furcht wird konkreter: Eigentlich soll die seit Freitag laufende «Operation Serval» die Islamisten in den Norden zurückdrängen und so an einem Vormarsch in den Süden Richtung Bamako verhindern. Doch nach ersten Erfolgen wie der Rückeroberung der Stadt Konna und erfolgreichen Angriffen auf die Stadt Gao im Rebellengebiet schlagen die Aufständischen nun zurück.
Nach französischen Angaben sind sie zudem besser ausgerüstet als erwartet, haben etliche Waffen geflüchteter Regierungstruppen und aus den Beständen des libyschen Ex-Machthabers Muammar al-Ghadhafi in ihren Besitz gebracht.
Und sie treten immer selbstbewusster auf. Ein Rebellenführer schickte offen Drohungen nach Paris: «Frankreich hat für alle Franzosen die Türen zur Hölle aufgestossen», sagte einer der Anführer, Omar Ould Hamaha, dem Radiosender Europe1. Das Land sei «in eine Falle getappt, die viel gefährlicher ist als jene in Irak, Afghanistan oder Somalia».
In Paris stiess das auf wachsame Ohren: Als Reaktion auf den Einsatz in Mali sei in Frankreich wie im Ausland mit Anschlägen zu rechnen, erklärte Innenminister Manuel Valls. Deshalb seien Kontrollen vor öffentlichen Gebäuden, an Flughäfen sowie in der U-Bahn verstärkt worden.
Durch die neu aufgeflammten Gefechte sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen binnen einer Woche 30'000 Menschen im Norden und Zentrum des Landes vor den Kämpfen geflohen. Die Dunkelziffer sei womöglich noch höher, sagte der stellvertretende UNO-Sprecher Eduardo del Buey.
Seit März 2012, als ein Militärputsch ein Macht- und Sicherheitsproblem im Land verursachte, seien nun schon rund 230'000 Menschen vor der Gewalt im Land geflohen. Gestern Abend wollte sich der UNO-Sicherheitsrat in New York auf Antrag Frankreichs mit der Lage in Mali befassen.
Malier würdigen «Papa Hollande»
Der Händler Abdou Toure lobt, Hollande habe «Weitblick» bewiesen, während ein Kommentator im Internet sich direkt an den Präsidenten wandte: «Papa Hollande, tausend Dank. Das ganze malische Volk würdigt Ihren Mut und Ihre Durchsetzungskraft.»
Dennoch würde sich so mancher wünschen, dass es malische Soldaten wären, die zusammen mit einer multinationalen afrikanischen Truppe das Land von den Terroristen befreien. Aber die Malier wissen auch, dass die Truppen westliche Ausbilder brauchen, um im unwegsamen Wüstengebiet des Nordens gegen die Jihadisten auf Dauer eine Chance zu haben.
Interimspräsident Dioncounda Traoré hatte bereits am vergangenen Freitag den Ausnahmezustand verhängt und seinen Landsleuten unmissverständlich klar gemacht, was von ihnen erwartet wird: «Jeder Malier muss jetzt als Soldat der Heimat betrachtet werden und sich selbst als solchen sehen», erklärte er.
Aber der Wille, Mali endlich aus den Händen der Jihadisten zu befreien und landesweit zu Demokratie und einem moderaten Islam zurückzukehren, ist allerorts spürbar. Ein Beobachter im Internet schrieb: «Vive la France et vive le Mali!»
sda/dapd/AFP/mw/chk
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