Japan droht eine Rezession
Die Wirtschaftsleistung in Japan ist im dritten Quartal um 3,5 Prozent geschrumpft, unter anderem wegen des starken Yen und des Inselstreits mit China. Die Rezessionsangst drückte die Börsen ins Minus.

Die japanische Wirtschaftsleistung ist im dritten Quartal um 3,5 Prozent zurückgegangen und droht damit das weltweite Wachstum zu belasten. Die japanische Regierung veröffentlichte die schlechten Konjunkturzahlen für die Monate Juli bis September am Montag. Den Angaben zufolge schrumpften dabei die Binnennachfrage um 0,5 Prozent und die Unternehmensinvestitionen um 3,2 Prozent. Japans Regierungschef Yoshihiko Noda sprach von einer «ernsten» Lage.
Für die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt erwarten Analysten die Fortsetzung des Negativtrends auch im laufenden Quartal. Mit zwei rückläufigen Quartalen hintereinander befände sich die japanische Wirtschaft dann per Definition in einer Rezession. Von April bis Juni wuchs die Wirtschaft - aufs Jahr umgerechnet - nur um magere 0,3 Prozent. Die zunächst gemeldeten 1,4 Prozent für das zweite Quartal mussten später stark nach unten korrigiert werden.
Exporte brechen ein
Die aktuellen schlechten Zahlen entsprechen den düsteren Prognosen. Der Export, von dem die japanische Wirtschaft abhängt, brach um fünf Prozent ein, der schärfste Rückgang seit fünf Quartalen. Aufgrund der steigenden Kosten für Öl-Importe und der geringeren Exportzahlen schrumpfte der japanischen Handelsüberschuss auf 2,72 Billionen Yen (32,4 Milliarden Franken). Vor allem ein starker Yen macht der japanischen Exportwirtschaft zu schaffen und sorgt für einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Südkorea und Deutschland. Streitigkeiten mit China über Inseln im Ostchinesischen Meer haben zum Einbruch der Verkaufszahlen von japanischen Produkten in China geführt. Auch der Absatz in Europa lässt angesichts der schwierigen Wirtschaftslage und Euro-Krise zu wünschen übrig.
Für das Gesamtjahr hatte die Regierung in Tokio, nach dem vielversprechenden Wachstum im ersten Quartal um 5,2 Prozent, ursprünglich mit zwei Prozent für das Jahr 2012 kalkuliert. Doch zahlreiche weitere Faktoren wirkten sich nachteilig aus. Das Ende der Subventionierung von Autokäufen hat auch zum Schrumpfen der Binnennachfrage beigetragen. Und der Bausektor litt darunter, dass weniger Geld für den Wiederaufbau nach dem Tsunami und der Reaktorkatastrophe im Atomkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 aufgewendet wurde.
Deflationsfalle – Investitionen im Ausland
Das laufende Quartal sieht der Experte David Rea von der Londoner Wirtschaftsanalysefirma Captal Economics skeptisch. «Wenn sich die Wirtschaft in irgendeiner Weise erholen sollte, wäre das ein kurzer Aufschwung.» Das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP) könnte im letzten Quartal 2012 um einige Prozentpunkte sinken, sagte er. Denn Japan leide noch immer an systemischen Fehlern. Zwei Jahrzehnte nach dem Platzen der japanischen Aktien- und Immobilienblase sei es der Politik noch immer nicht gelungen, ein effektives Mittel zu finden, um die Wirtschaft aus der Deflationsfalle zu führen.
Hinzu kommt, dass, obwohl Grossbanken, Handelsfirmen und andere Grossunternehmen unter geringer und oftmals schrumpfender Profitabilität leiden, sie doch auf grossen Kapitalbeständen sitzen. Statt jedoch im Heimatland zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen, nutzen sie die Mittel, um weltweit auf Einkaufstour zu gehen. Jüngst zu sehen in der Mobilfunksparte, als der Mischkonzern Softbank sich für über 20 Milliarden Dollar 70 Prozent von Nextel sicherte, der Nummer drei auf dem US-Markt.
«Niemand will investieren»
Auch die lange währende Null-Prozent-Zinspolitik der japanischen Zentralbank konnte den Markt nicht wieder anheizen. Sie habe damit getan, was sie konnte, erklärt Rea. «Doch niemand nimmt Kredit auf. Niemand will investieren, denn es gibt keine positiven Wachstumsaussichten.»
Und der Wirtschaftsentwicklung droht noch der Griechenland-Effekt. Japan ist in Gefahr, unter einer Schuldenlast von 235 Prozent des BIP erdrückt zu werden. Um das Defizit abzubauen, müssen die Staatsausgaben gekürzt werden und Steuererhöhungen grösser ausfallen als eigentlich geplant, was wiederum die Wirtschaft abwürgen kann.
Rezessionsangst drückt Börsen
Die Anleger in Asien haben sich aus Furcht vor einem Abrutschen der USA und Japans in die Rezession zu Wochenbeginn zurückgehalten. Nachdem Japan zum ersten Mal seit drei Quartalen ein schrumpfendes Bruttoinlandprodukt bekannt gegeben hatte, herrsche eine grosse Unsicherheit am Markt, verlautete aus Analystenkreisen. Ermutigendere Konjunkturdaten aus den beiden grössten Volkswirtschaften der Welt, den USA und China, hielten die Verluste jedoch in Grenzen. Auch die Zustimmung des griechischen Parlaments zum Haushalt 2013 am Sonntagabend sorgte für eine Erleichterung in der europäischen Schuldenkrise und in den Köpfen der Anleger in Asien.
Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index beendete den Handel mit einem Minus von 0,9 Prozent bei 8676 Punkten. Es war der sechste Handelstag in Folge mit Verlusten und damit die längste Durststrecke an der Tokioter Börse seit Juli. Der breiter gefasste Topix-Index gab 1,0 Prozent auf 722 Punkte nach. Auch die Börsen in Shanghai, Singapur, Korea und Taiwan liessen Federn, allerdings nicht so deutlich wie die Tokio. Lediglich in Hongkong verzeichneten die Indizes leichte Gewinne. Besonders die Aktien exportorientierter Unternehmen litten unter der Furcht vor einer Rezession der USA. So verloren Toyota-Papiere 1,7 Prozent an Wert, jene von Honda und Canon je 1,3 Prozent.
dapd/sda/wid/rub
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