YB schlägt den FCBKapellmeister Wagner jubelt über «grössten Sieg» in Bern
3:1 gewinnt der Meister, führt in Überzahl die Entscheidung herbei. Die Young Boys bleiben nach der turbulenten Partie am FCZ dran – so gut es eben geht.

Wo schaut sie hin, die Fussballschweiz?
Nach Bern, wo der Zweite gegen den Dritten spielt, wo Sonne und ein volles Stadion locken, wo YB und der FC Basel ausmachen, wer für sich überhaupt noch beanspruchen darf, ein Teilnehmer dieses Titelrennens zu sein? Nach Zürich, wo der Erste gegen den Vierten spielt, wo der FCZ gegen Lugano weiter an seinem so lange fast unbemerkten Meisterstück bastelt?
Nun, dem Publikum wird die Entscheidung durch den frühen Anpfiff zwischen YB und Basel erleichtert. Und um 16 Uhr, als man in Bern nicht mehr und in Zürich noch nicht spielt, weiss man auch, wer sich aus diesem Titelrennen verabschiedet hat.
Es ist der FC Basel. 1:3 verliert er gegen YB. Es ist eine verdiente, logische Niederlage. Und wer bedenkt, aus was für einer Woche diese Young Boys kommen, wie sie, ohnehin ersatzgeschwächt, nach dem bitteren, peinlichen 3:3 in St. Gallen auch noch die Ausfälle von Christian Fassnacht (Bänderverletzung) und Mohamed Camara (Armbruch) verkraften und, um das Aufgebot vollzukriegen, zwei Nachwuchsspieler aufbieten mussten, der kann Trainer David Wagner irgendwie verstehen, wenn er sagt: «Das ist einer der grössten Siege, den ich mit YB feiern konnte.»
Der Deutsche hat mit diesem YB im Herbst immerhin Manchester United geschlagen, danach aber erlebte er einen Winter, in dem es für ihn tatsächlich nicht mehr viel zu feiern gab.
YB hat Speed – doch in Führung geht Basel
Dass seine Mannschaft einmal mehr gut loslegt, die grösseren Anteile, die stärkere Überzeugung hat als ihre Gegner, ist ein Muster, genauso wie die Tatsache, dass sie aus diesem guten Start nichts mitnimmt. YB hat Speed, hat, zum ersten Mal seit Dezember wieder von Beginn weg, einen pfiffigen Miralem Sulejmani, einen überraschend agilen Wilfried Kanga. Doch nach 20 Minuten führt der FCB.
Beim Kopfballtor von Michael Lang nach einem Eckball sehen weder YB-Captain Fabian Lustenberger noch Goalie Anthony Racioppi besonders gut aus. Eine Viertelstunde später liegt Lustenberger am Boden, muss wenig später mit Prellungen an Rippen und Rücken vom Feld. Ulisses Garcia ersetzt ihn, Jordan Lefort rückt ins Zentrum, bildet mit Sandro Lauper eine so kaum erprobte Innenverteidigung. Rückstand, Rückschlag, es ist ein heikler Moment für die Young Boys.
«Die Kapelle ist alles andere als voll – aber wir attackieren trotzdem.»
Es gibt diese Aussage von YB-Trainer Wagner, die über die Wintermonate hinweg zu einem Bonmot der Berner Frühlingsverheissung auf einen Aufschwung geworden ist. «Mit der vollen Kapelle» wolle man angreifen, sagte er zum Ende der Hinrunde, wohl wissend, dass sein Team gerade eine Halbserie mit überdurchschnittlich vielen Verletzungen hinter sich hatte. Sich im Vollbesitz der Kräfte des so lästig am Meisterthron rüttelnden FCZ entledigen, die Phrase war Musik in den Ohren der Fans – die findigsten unter ihnen bastelten gar ein kleines Lied daraus.
Den Young Boys geht es seit dem Start zur Rückrunde Ende Januar nicht so leicht von den Lippen. Das Pech ist ihnen treu geblieben, Camaras Armbruch ist die 18. Verletzung der laufenden Saison. «Die Kapelle ist alles andere als voll», sagt Wagner, «aber wir attackieren trotzdem.»
Erwähnen kann er das nach der Partie entspannt. Vincent Sierro trifft noch vor der Pause mit einem nicht ideal platzierten Schlenzer zum 1:1, auch nach Torwartproblemen steht es gewissermassen unentschieden.

Es wird deutlich, dass weder der FCB noch YB besonders eingespielt sind: Die Abstimmung ist mangelhaft, beide Defensiven sind verwundbar, um die Spielkultur steht es an diesem Nachmittag nicht allzu gut. Doch dann wird es immerhin turbulent.
Der FCB-Holländer Wouter Burger foult erst Nicolas Ngamaleu, wenig später steht er Sierro vor dem Strafraum im Weg. Schiedsrichter Urs Schnyder zückt zweimal Gelb, dazu Rot, Burger muss runter, YB hat Raum. «Die zweite Gelbe Karte ist sehr hart», klagt FCB-Trainer Patrick Rahmen.
YB-Neuling Kevin Varga, als eine der wenigen offensiven Alternativen auf der Berner Bank kurz vor dem Platzverweis schon an der Linie für die Einwechslung bereit, muss warten, Wagners nächster taktischer Zug heisst: abwarten. «Wir wollten Sulejmani mit seiner Ballsicherheit und dem neu gewonnenen Platz drinlassen.»
Es ist die richtige Entscheidung. Ngamaleu kommt durch die Mitte, spielt Doppelpass mit Jordan Siebatcheu, trifft zum 2:1. Und nur zwei Minuten später spielen sich Fabian Rieder und Sulejmani gut durch, von rechts flankt Maceiras, im Zentrum verpasst Rieder, nicht aber Siebatcheu – 3:1. Es sind die zehn YB-Minuten zum Glück.
«Der Rückstand, das ist eure Story»
Auch Garcia muss in der 81. Minute vom Feld, auch er mit Gelb-Rot, nach Foul an Dan Ndoye. Der fällige Freistoss von Sebastiano Esposito streicht über die Latte, und mit schwindenden Vorsprüngen in der Schlussphase hatten die Young Boys zuletzt ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Diesmal halten sie das Resultat, sie kontern, treffen aber nicht mehr.
Wo schaut sie hin, die Fussballschweiz?
Am späteren Nachmittag sieht sie in Zürich einen FCZ, der tut, was der FCZ derzeit halt so tut. Goalie Yanick Brecher hält beim Stand von 1:0 einen Penalty, wenig später steht es 2:0, dann 3:0. Der Abstand auf den neu ersten Verfolger YB beträgt zehn Punkte, das gab in der Super League noch nie jemand aus der Hand.
«Der Rückstand, das ist eure Story», sagte ein geschaffter, stimmlich angeschlagener Wagner im TV-Studio von Blue, «wir machen da schon lange nicht mehr mit.» Kapellmeister Wagner wird wissen, wann der Moment für die forscheren Töne wieder gekommen ist. Vielleicht in einem Monat, wenn der FCZ nach Bern kommt. Vielleicht aber auch einfach erst im Sommer, vor der nächsten Saison.
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