Lasst euch drücken!
Die Young Boys gewinnen zu Hause das Derby gegen Thun nach 0:2-Rückstand 3:2. Auch weil Miralem Sulejmani die Freude am Spiel wiederentdeckte.
Miralem Sulejmani ist naturgemäss einer, dem es nicht leichtfällt, jemandem einen Wunsch auszuschlagen. Am Samstagabend, nachdem er am 3:2-Erfolg gegen Thun massgeblich beteiligt war, tut sich der fürchterlich freundliche Serbe noch ein bisschen schwerer. Die Partie ist da schon fast eine Stunde vorbei, die meisten Zuschauer sind längst auf dem Nachhauseweg.
Als der kleine Flügel die Tritte der Haupttribüne emporsteigt, um sich im VIP-Bereich zu verpflegen, macht er kehrt. Ein serbischer Landsmann hat sich auf der Stehplatztribüne lautstark bemerkbar gemacht. Sulejmani geht auf ihn zu, wechselt ein paar Worte, nimmt ihn in den Arm.
Momente später herzt er auch den YB-Medienchef innig. Der schmächtige Feinfuss wirkt wie ein eifriger Missionar der «Free-Hugs-Bewegung». So, als könnte er an diesem Abend die ganze Welt umarmen.
Schlechte Zeiten für YB-Fans
Miralem Sulejmani hat sich mit einem Tor und einem Assist zurückgemeldet, das ist eine Erkenntnis des Spiels. Eine andere: Die Cupblamage gegen Winterthur steckte den Bernern noch arg in den Knochen. Im Derby gegen die sich im Aufschwung befindenden Thuner waren gerade mal zehn Minuten gespielt, da führten die Gäste bereits 2:0. Christian Fassnacht und Dejan Sorgic hatten getroffen, Letzterer mit einer wunderbaren Direktabnahme.
Es passte ganz gut, setzte im Stade de Suisse zeitgleich ein stürmischer Regen ein, der die Zuschauer im unteren Ring von ihren Plätzen trieb. Ein Gedanke: Es gibt wahrlich bessere Zeiten, für die Young Boys Sympathien zu hegen. Dass der harte Kern der Fans aus Protest auf jegliche Unterstützung verzichtete, machte die Ambiance noch trostloser. Die Botschaft der Anhänger: Nach dem katastrophalen Cupaus fehle ihnen nun auch die Kraft zum Anfeuern.
Das alles musste die Thuner nicht kümmern. Sie befanden sich auf dem Weg zu ihrem grössten Saisonsieg, ihrem ersten seit bald vier Jahren im Stade de Suisse. Sie kombinierten in der Anfangsphase wie ein Spitzenteam. Setzten den Gegner unter Druck wie ein Spitzenteam. Waren effizient wie ein Spitzenteam. Aber anders als ein Spitzenteam verpassten sie es – nicht ganz überraschend –, durchzuziehen, was sie begonnen hatten.
Womöglich, weil sie selbst nicht daran glaubten. Fassnacht gestand nach dem Spiel, beim Stand von 2:0 sei ihm kurz der Gedanke gekommen: «Hoffentlich geben wir diesen Vorsprung nicht wieder aus der Hand.» Und Trainer Jeff Saibene meinte, seine Spieler hätten die Führung zu ausgeprägt verwaltet.
Bei aller Selbstkritik, Thun verlor das Derby einmal mehr unglücklich, samt Eigentor von Marco Bürki nach Flanke von Kevin Mbabu (57. Minute). Es passte, fiel der Siegtreffer Sékou Sanogos nach Corner Sulejmanis via Latte ins Tor. Und Sekunden vor Schluss traf Fassnacht nur den Pfosten.
«Heute hatten wir das Glück, das uns im Cup gefehlt hatte. Leider macht dieser Sieg das Aus aber nicht vergessen», meinte Steve von Bergen. Der Captain wurde seinem Renommee einmal mehr nicht gerecht, die Defensivprobleme der Young Boys sind offensichtlich. Der beste YB-Innenverteidiger spielte am Samstag für Thun: Leihgabe Nicolas Bürgy.
Von Ärger keine Spur
Aber immerhin: Fürs Erste haben die Young Boys, die ohne die gesperrten Denis Zakaria und Guillaume Hoarau hatten auskommen müssen, das Schlimmste abgewendet, den Vorsprung auf Sion und Luzern gar ausgebaut. Sion als Dritter liegt nun sieben Punkte zurück. Auch, weil Trainer Adi Hütter etwas tat, was er nach eigener Aussage nie zuvor getan hatte.
Er vollzog nach 29 Minuten einen Doppelwechsel, brachte für die ungenügenden Jan Lecjaks und Kasim Nuhu Sven Joss und Miralem Sulejmani. Ausgerechnet Joss und Sulejmani: Der eine hatte im Cup einen schwachen Abend eingezogen, der andere zuletzt zweimal nicht im Aufgebot gestanden.
Nach überzeugender Darbietung drängt Joss, der links wie rechts verteidigen kann, ins Team. Und auf Instinktfussballer Sulejmani kann YB eigentlich nicht verzichten – wenn er endlich wieder in Form kommt.
Beim Betrachten von Sulejmanis Freistosstor aus 30 Metern zum 1:2 liegt der Schluss nahe, dass er seine ganze Wut über die letzte Zeit in diesen einen Schuss gepackt hatte. Aber von Ärger will Sulejmani am Samstagabend nichts wissen. Er gibt sich versöhnlich, scheint alle und jeden lieb zu haben.
Bleibt die Frage: Wie kam er darauf, es aus dieser Distanz direkt zu versuchen? «Wer nicht probiert, trifft auch nicht», sagt Miralem Sulejmani mit einem verschmitzten Lächeln. Da hat er natürlich recht.
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