Der nächste SteuerstreitLinke plant Referendum, wittert aber «Verzögerungstaktik» der Bürgerlichen
Will auch der Ständerat Schifffahrtsgesellschaften nach Gewicht besteuern, wäre das im Wahlkampf ein gefundenes Fressen für SP und Grüne. Die Frage ist, ob es dafür zeitlich reicht.

Eigentlich hofft die Linke, dass der Ständerat die sogenannte Tonnage Tax verwirft, nach der Reedereien statt nach dem Gewinn neu nach transportiertem Gewicht besteuert werden sollen. Doch falls er sie annehmen sollte, soll er das für SP und Grüne so bald wie möglich tun.
Die Erklärung dafür ist, dass sich die beiden Parteien in einem aus ihrer Sicht ungünstigen Moment in einem Formtief befinden. Gemäss Tamedia-Wahlumfrage dürften sie in den Zürcher Kantons- und Regierungsratswahlen am 12. Februar, einem wichtigen Stimmungstest für die nationalen Wahlen im Herbst, Stimmen verlieren. Da käme ein Wahlkampfschlager gerade recht.
Als würde man die Grösse von Tresoren besteuern
Die Tonnage Tax, so kompliziert das Thema auf den ersten Blick wirkt, hätte das Potenzial dazu: Die Gegner führen ins Feld, dass ausgerechnet Firmen mit hohem ökologischem Fussabdruck wohl steuerlich entlastet würden.
Die Folgen für die Bundesfinanzen dagegen sind, wie so oft vor Steuerreformen, unklar. Indem man das System jenem vieler anderer Länder angleicht und für die Reedereien attraktiver gestaltet, sollen Firmen zum Umzug in die Schweiz bewegt werden.
Vor allem jedoch scheint der Bruch mit dem Prinzip, Unternehmen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern, sogar Bürgerliche zu befremden. Wiederholt herangezogen wurde das Beispiel, dass Banken auch nicht nach der Grösse ihrer Tresore besteuert würden.
«Der Grundgedanke der Tonnage-Steuer erscheint skurril und ist mit der Sonderlösung für eine Branche auch verfassungsrechtlich zweifelhaft», schrieb im vergangenen Mai stellvertretend die steuerpolitisch ansonsten bürgerlich argumentierende NZZ.
Die Chancen, dass ein Referendum Erfolg hätte, stehen also gut. Damit würde eine mittlerweile stattliche Reihe von linken Siegen in Steuerfragen in den letzten Jahren verlängert: Zu nennen sind insbesondere die Abstimmungen über die Unternehmenssteuerreform III (2017) und die Stempel- und die Verrechnungssteuer (beide 2022).
Nachdem der Nationalrat das Gesetz im Dezember gegen den Willen der Linken, der Grünliberalen und von Teilen der Mitte verabschiedet hat, beantragt der SP-Parteirat am Parteitag am 25. Februar die Lancierung einer Unterschriftensammlung. Das geht aus den Einladungsunterlagen hervor.
Bereits seit Wochen drohen zudem die Grünen mit dem Referendum. Laut Parteipräsident Balthasar Glättli streben sie hierfür eine Allianz mit anderen Organisationen an.
Damit die Linke das Thema in der heissen Phase vor der Wahl am 22. Oktober auf die Strasse tragen kann, muss das Parlament die Vorlage spätestens in der Herbstsession des Parlaments im September abschliessen. «Ich sehe jedoch Anzeichen dafür, dass die Bürgerlichen das Thema verschleppen wollen», sagt die St. Galler Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser. «Das Ziel scheint zu sein, die öffentliche Debatte dazu auf möglichst nach den Wahlen zu schieben.»
Der Grund dafür ist, dass in der kommenden Sitzung der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats vom 13. Februar zur Tonnage Tax nur Anhörungen von Fachpersonen traktandiert sind, wie das Kommissionssekretariat bestätigt. Somit ist ausgeschlossen, dass der Ständerat das Thema in der Frühlingssession behandelt.
«Es ist nicht die Aufgabe einer Kommission, ein Thema terminlich so zu behandeln, dass es zeitgerecht für einen Wahlkampf auf dem Präsentierteller liegt.»
«Wenn man verzögern will, kann man das in der Kommission relativ einfach machen, indem man zum Beispiel aufwendige Abklärungen verlangt», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. «Dann würde der Ständerat auch im Sommer nicht über das Thema befinden.»
Dann sei gut möglich, dass in der Herbstsession eine Differenz zwischen den Räten bestehe und ein Referendum erst nach den Wahlen lanciert werden könne. «Wenn der Ständerat ernsthaft noch Fragen klären will, dann kann man natürlich nichts dagegen haben», sagt Wermuth. «Aber ich habe meine Zweifel. Es sieht für mich nach Verzögerungstaktik aus.»
Im Fokus der Kritik steht Kommissionspräsident Alex Kuprecht (SVP, SZ), der über das Sitzungsprogramm befindet: Man habe im Moment andere Prioritäten als die Tonnage Tax, schreibt er auf Anfrage. Zudem habe er sich dazu entschieden, die Tonnage Tax gründlich anzuschauen. Unter anderem stehe auch die Frage der Verfassungsmässigkeit im Raum.
«Zudem bin ich nicht bekannt dafür, dass ich Geschäfte verzögere, wenn sie behandlungsreif sind», schreibt Kuprecht weiter. «Es ist aber auch nicht die Aufgabe einer Kommission, ein Thema terminlich so zu behandeln, dass es zeitgerecht für einen Wahlkampf auf dem Präsentierteller liegt.»
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